Irene Diwiak, Liebwies

Sehr positiv überrascht hat mich dieser ausschweifend erzählende Roman aus dem Diogenes – Verlag. Über die Autorin wird nur wenig verraten, Irene Diwiak, 1991 geboren, studierte und lebt in Österreich und verfasste mit „Liebwies“ ihren ersten Roman.

Zunächst spielt das Geschehen in einem von der Außenwelt abgeschnittenen Dorf irgendwo in Österreich. Eine schlicht und ungebildet lebende Familie hat zwei Töchter, von denen die Ältere eine herausragende Stimme hat. Entdeckt wird diese Gabe durch den Lehrer Köck, der, aus dem 1. Weltkrieg nur mit halber Nase zurückkehrend, seine Stelle als Musiklehrer verloren hat. Frustriert geht er in eben jenen abgeschiedenen Ort, Liebwies, der in keiner Karte verzeichnet ist, keinen Lehrer mehr hat und dessen Bewohner*innen nichts über das Weltgeschehen wissen. Köck bildet die begabte Karoline aus und lädt einen alten Bekannten, der als Musiker Karriere gemacht hat, dazu ein, sich ein Konzert anzuhören. Dieser Christoph Wagenrad kommt tatsächlich und ist auch bereit, die Begabte in seine Welt zur weiteren Ausbildung mitzunehmen. Allein: er nimmt nicht Karoline, sondern deren schöne, aber gänzlich unbegabte Schwester Gisela mit. Nun verlassen wir Liebwies und erfahren alles über den Musiker Wagenrad und seine niederschmetternde Trauer über den Verlust seiner Ehefrau, streifen durch das Wien der Zwanziger Jahre, den dortigen Kulturbetrieb und seine Auswirkungen, lernen weitere Familien, zum Beispiel die Gussendorffs, kennen, die in Zusammenhang mit Gisela eine Rolle spielen. Gisela Liebwies wird ein Star, während das große Talent der Komponistin Ida Gussendorff verborgen bleibt. Um Eitelkeit und Glamour geht es in „Liebwies“ von Irene Diwiak, um Ruhm und Gier und um die wahre Schönheit. Spannend und überraschend ist der Aufbau des Romans, die kapitelweisen Wechsel der jeweiligen Protagonist*innen und die folgenden Zusammenführungen der einen mit den anderen Personen und Familien. Bei aller Schwere der Zeit und der Umstände bleibt das Buch leicht und vergnüglich, an manchen Stellen sogar sehr witzg. Die feine, etwas altmodisch gefärbte Sprache korrespondiert schön mit der Zeit, die erzählt wird. Große Lesefreude!

Irene Diwiak. Liebwies, Diogenes Verlag, 15 Euro