Szczepan Twardoch, Demut – ein Roman wie ein üppiges Gemälde

Alois Pokora ist der erste in seiner von Gewalt geprägten Familie, der eine Schulbildung ermöglicht bekommt, der Pfarrer setzt sich für ihn ein. Doch die Entwurzelung durch dieses neue Leben, das er in jungen Jahren durch den dafür notwendigen Internatsaufenthalt erfährt, ist so gravierend, dass sein weiteres Leben von der Unfähigkeit zur Konstanz und den frühen Gewalterfahrungen geprägt bleibt. Er zieht in den ersten Weltkrieg und kommt als Offizier fast gebrochen wieder zurück, zunächst nach Berlin. Dort schließt er sich den Kommunisten an, aber nicht aus innerer Überzeugung, sondern weil es sich so ergibt. Er kämpft für ein Anliegen, das als Bergarbeitersohn nur teilweise seines ist, aber er kann kämpfen und das ist es, wofür er gebraucht wird. Nach einer Schießerei mit Kaisertreuen flieht er ins heimatliche Schlesien, doch auch dort fällt ihm ein Ankommen schwer.
Die ganzen Jahre ist er besessen von der dominanten Agnes, die er zu lieben meint. Sie scheint das Symbol für Festigkeit und Treue in Alois Leben. Er hegt Selbstzweifel und weiß im Grunde nicht, was er eigentlich wirklich fühlt.
Spannend ist der Roman, weil Twardoch auf eine mitreißende und kraftvolle Weise den Krieg erzählt, die Gewalt aufgreift, die Unruhen schildert und die vollkommen unsichere Situation im Leben der Menschen rhythmisch in Sprache verwandelt. Die pfeifenden Geschosse, die ganze Erbarmungslosigkeit des Krieges, das fanatische Eintreten für eine gerechtere Welt im Nachkiegsberlin- all das wird körperlich spürbar durch die Sprachgewalt dieses Romans, der von Olaf Kühl großartig aus dem Polnischen übersetzt wurde.
Ein besonderes Buch, dem ich viele LeserInnen wünsche.

Szczepan Twardoch, Demut, Übersetzt von Olaf Kühl, Rowohlt Verlag, 25 Euro