Michael Köhlmeier „Die Verdorbenen“

Zuletzt war „Das Philosophenschiff“ von Michael Köhlmeier ein packendes Stück Literatur, jetzt erscheint wieder etwas inhaltlich vollkommen Neues des österreichischen Autors . In „Die Verdorbenen“setzt sich Köhlmeier mit dem „Bösen“ auseinander, dem Ausweichen vor diesem oder sogar der Unmöglichkeit, diesem zu entgehen.
Anfang der Siebziger kommt Johann zum Studieren in die Stadt, den Kopf voll wirrer Träume. Er trifft Christiane und Tommi, die ein Paar sind und fast ganz ohne Worte „übernimmt“ Johann Christiane von Tommi, weil diese es so möchte. Christiane wird als extrem merkwürdige Person geschildert, die vollkommen ausdruckslos ihren Dingen nachgeht, wir erfahren fast nichts über sie, außer dass sie mit Tommi schon im Kindergarten gespielt hat. Sie wirkt in ihrer Sprachlosigkeit (großartig die „Dialoge“ zwischen Christiane und Johann) wie ein Symbol für die Beziehungslosigkeit, in der sich Johann in Wahrheit eingerichtet hat. Tommi dagegen steht in seiner brachialen Stumpfheit für den leicht verhaltensgestörten Gegenpol, denjenigen, der sich nimmt, was er braucht, ebenfalls ohne sich auf Bindung einzulassen.
Als Johann ein Kind war, fragte sein Vater, ob er einen Wunsch im Leben habe. Und Johann traute sich nicht zu antworten: »Einmal im Leben möchte ich einen Mann töten.« Das Thema „Töten“ begleitet ihn ab diesem Zeitpunkt als Möglichkeit, „Beziehung“ komplett zu beenden. Johanns Reise, beinahe Flucht vor sich selbst, gelingt dem Autor spannend und berührend zugleich, trotz aller Fremdheit, die das Verhalten Johanns in der Leserin auslöst. Hinter allen äußerlichen Geschehnissen dräut eine tiefere Ebene, die das Böse innehat, das macht dieses Buch so mitreißend.
Michael Köhlmeiers faszinierender und erstaunlicher Roman erzählt von Schuld und Unschuld, davon, dass „Verdorbene“ ihr Leben lang unschuldig bleiben können. Das Buch hat mich nicht losgelassen.
Michael Köhlmeier, „Die Verdorbenen“, Hanser Verlag 23 Euro