Eine echte, und am Ende tolle Herausforderung war dieser Debütroman aus dem Residenz-Verlag, denn er spielt in einer Welt, die mir sehr fern ist. Es geht um die Welt der Endzwanziger, die ihre sexuellen Erlebnisse über Dating-Apps anbahnen, möglichst frei leben und gleichzeitg alles „richtig“ machen wollen.
Aus der Sicht von Masha wird ein großes Abenteuer geschildert, das mit dem Kennenlernen von Masha und Iggy im steckengebliebenen ICE beginnt. Masha hat lange keinen Menschen mehr „analog“ kennengelernt und doch fühlt sie sofort, dass das mit Iggy was ist. Zunächst unternehmen die Beiden aberwitzige Streifzüge durch Wien, beklauen die Kirchgänger/innen an Weihnachten mit einem gefakten QR-Code, drehen einer rechtsextremen Villenbesitzerin Möbel mit „echter“ Nazi-Vergangenheit an und fahren schließlich mit einem geklauten Parmiggiano nach Italien, wo sie sich mit Valeria treffen, um Lotto zu spielen.
Es ist ein einziger Witz, der hier in einer enormen Geschwindigkeit erzählt wird und wirklich zum Lachen bringt- dahinter aber lauert die Unfähigkeit Iggys, sich einzulassen. Vor lauter Angst, unfeministisch zu handeln, lässt er lieber keine Nähe zu, als sich falsch zu verhalten. Masha ihrerseits ist weiterhin in den bewährten Dating-Apps unterwegs und hat Matches und sexuelle Begegnungen, die sie auch serh freizügig schildert. Das geht bald zwei Jahre in diesem Tempo, mit Pausen und neuen Anläufen und erst eine Italienreise führt dazu, dass Masha Iggys Widersprüche auf den Punkt bringen kann:
«Gesteh dir ein, dass du Gangbangs guckst und Gruppenvergewaltigungen und gleichzeitig Liv Strömquist liest! Weil das ist die verdammte Realität.»
Neben diesen krassen Widersprüchen und der Unmöglichkeit, Nähe wirklich zu zuzulassen, dreht es sich auch viel um Bücher, schöne Ausgaben dieser, Filme und Menschen aus unserer Zeit. Das liest sich interessant und aufregend in ihrem Bezug zu dieser Generation. Wir durchstreifen Wien und später Italien, lernen schrägste Typen kennen und den Wert eines großen Käses als Hauptspeise.
Ich hatte viel Freude an diesem Buch!
Caspar-Maria Russo, „Prinzip Ungefähr“, Residenz-Verlag, 25 Euro