Keigo Hirashino, Kleine Wunder um Mitternacht

Darum geht es:

Drei Einbrecher retten sich kurz nach Mitternacht in einen aufgegeben Gemischtwarenladen. Eine unglaubliche Geschichte nimmt ihren Lauf, die eigentlich schon 33 Jahre zuvor begann.

Der Inhaber des Ladens, Yuki Namiya, hat zu seiner Zeit die Rolle des Ratgebers für eine Vielzahl von Menschen übernommen. Auch nach der Schließung des Geschäftes, so wird im Laufe des Romans erzählt, kommt Herr Namiya seiner Verpflichtung nach, die Briefe, die durch den Rolladen geschoben werden, zu beantworten und die Antwort im Milchkasten auf der Rückseite des Ladens zu hinterlegen.

Die drei Einbrecher besetzen den Laden an einem 13. September, 33 Jahre nach dem Tod des alten Mannes. Sie wissen natürlich nicht, dass aus diesem Anlass der Laden in dieser Nacht ein einziges Mal wieder Briefe in Empfang nehmen soll von Menschen, denen Herr Namiya einmal geantwortet hat. Die drei jungen Männer begreifen so nach und nach, wo sie gelandet sind und beantworten die eingehenden Briefe, die jedoch keinesfalls aus ihrer Zeit stammen, sondern von Menschen sind, die vor 33 Jahren gelebt haben bzw. zu dem Zeitpunkt die Briefe schreiben. Sie sehen sich also mit der Aufgabe konfrontiert, den Briefeschreibern gute Ratschläge zu geben, ohne ihr Wissen um die Zukunft offen zu legen. Es ist rührend zu lesen, wie die drei sich alle Mühe geben, gute Ideen für die Probleme der Menschen zu entwickeln und ihrer unfreiwilligen Aufgabe moralisch und praktisch gut nachzukommen. In Japan sind offensichtlich auch Einbrecher im Herzen gute Menschen.

Weitere Details seien nicht verraten, außer, dass der Autor viel japanische Geschichte einwebt, die japanische Gesellschaft und ihre Regeln an den Personen deutlich werden (zum Beispiel an der genannten moralischen Grundhaltung der drei sympathischen „Bösewichte“) und überhaupt, das ganze Buch wunderbar japanisch ist. Ein bisschen erinnert der magische Teil an die guten Bücher von Haruki Murakami.

Die Sprache ist ebenfalls typisch japanisch: schlicht. Poetische Höhenflüge sind nicht zu erwarten, aber das macht es gerade interessant, weil wir diejenigen sind, die das Erzählte interpretieren. Die Geschichte ist wunderbar erzählt und entführt in eine Welt, in der andere Regeln gelten und die Menschen viel enger als bei uns mit der Gesellschaft verbunden sind und in ihr agieren.

Ein sehr schöner Unterhaltungsroman.

Keigo Higashino, Kleine Wunder um Mitternacht
übersetzt von Astrid Finke, Limes Verlag, 20 Euro