Noch eine amerikanische Story: „Leuchtfeuer“ von Dan Shapiro

In „Leuchtfeuer“ wird die Geschichte einer sehr typisierten amerikanischen Familie in ihrer Vorstadtidylle erzählt, die gegen Ende der Pubertät der beiden Kinder von einem Autounfall aus ihren Grundfesten gerissen wird.
Mimi, treusorgende Hausfrau und Ben Wilf, angesehener Arzt, leben den amerikanischen Traum mit ihren Kindern Sarah und Theo in einem New Yorker Vorort, wo sie 1970 ein Haus kauften. Mitte der Achtziger Jahre sind die Kinder 15 und 18 Jahre alt. Der Sommer geht zuende, die Jugendlichen langweilen sich, fahren mit dem Auto und der Nachbarstochter Misty umher und verursachen einen Unfall direkt vor dem Haus der Wilfs, bei dem Misty ums Leben kommt.
Dieser Unfall wird zu einem Familiengeheimnis, weil die Wilfs beschließen, nicht darüber zu sprechen. Ben, Sarah und Theo leiden aus unterschiedlichen Gründen an starken Schuldgefühlen und schleppen diese den Rest ihres Lebens mit sich herum.
Aus heutiger Sicht ist dieses beharrliche Schweigen unvorstellbar und die Auswirkungen, die das auf das Leben der Familie hat, tun in der Seele weh, denn Shapiro gelingt es, den Schmerz und die Präsenz eines solchen Ereignisses plastisch und gefühlsstark zu erzählen. Die Personen werden lebendig, die Bilder, die sie erzeugt, sind eindringlich und in ihrer Ausweglosigkeit auch bedrückend.
Eine wichtige Rolle spielt noch Waldo. Sarah und Theo gehen längst eigene Wege, da wird Waldo mithilfe von Ben im gegenüberliegenden Haus geboren. Auch diese Familie wird in ihren Abgründen und Begrenzungen fassbar. Waldo nimmt eines Nachts Reißaus vor seinem Vater und versteckt sich in einem Spielhäuschen in der nahegelegenen Mall, wohin es auch die mittlerweile demente Mimi verschlägt. Sie ist ausgerissen aus dem Heim, in dem sie lebt. Dieser Teil der Geschichte ist auf der einen Seite sehr berührend, aber auch nicht frei von leichtem Kitsch. Damit bin ich bei der Schwäche des Romans: die Bilder und Zusammenhänge entbehren nicht einer gewissen Wucht und Bedeutungsschwere. Weniger wäre hier vielleicht angenehmer gewesen für so ein europäisches LeserInnenherz.
Dennoch: „Leuchtfeuer“ hat viel zu bieten, stellt Fragen nach einem gelungenen Leben und danach, wie mit Schuld umgegangen werden kann und lohnt daher unbedingt die Lektüre.

Dan Shapiro „Leuchtfeuer“, aus dem amerikanischen Englisch von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, hanserblau 23 Euro