Mit großer Freude habe ich den neuen Roman von Iris Wolf gelesen. Wieder spielt die Geschichte in Rumänien und wieder erzählt Wolff in einer eigenwilligen poetischen Sprache von Beziehungen, Identität und Freundschaft.
Lev und Kato treffen sich in Paris nach jahrelanger Pause wieder und endlich scheinen sie da anzukommen, wo sie schon seit ihrer späten Kindheit eigentlich sind: in der Liebe.
Ab hier erzählt Wolff die Geschichte rückwärts bis zu dem Zeitpunkt, an dem Lev seinen „Unfall“ hat. Still und leise verfolgt der Roman Levs Aufwachsen, seine zarte Empfindsamkeit, sein Leben in Ceausescus Rumänien. Lev hat einen siebenbürgisch-österreichischen Vater und eine deutschstämmige Mutter und gehört so zu den deutschstämmigen Rumänen. Vielsprachigkeit und latenter Rassismus spielen eine Rolle in seiner Kindheit ebenso wie die Beziehung als Nachgeborener zu seinen“Halbgeschwistern“, die es durchaus leichter haben. Seine Mutter Lis liebt ihren Sohn, hält sich aber weitestgehend zurück und begleitet Lev eher, als dass sie ihn „erzieht“. Kato tritt in sein Leben, als er ans Bett gefesselt ist und ihre Freundschaft, die eigentlich eine Liebe ist, rettet ihn zurück ins Leben. Kato, die sich durch eine schwierige Familiensituation kämpfen muss, hat stets Fernweh und verlässt Rumänien nach 1989, Lev dagegen ist heimatverbunden und bleibt. Erst spät erkennt er die Wichtigkeit einer Reise zu Kato.
Die rückwärts erzählte Geschichte ist unglaublich fein und geschickt komponiert, Wolff schafft es, dass der Faden gehalten wird. Besonders Levs Kindheit nimmt gefangen in ihrer Dichte und sprachlichen Genauigkeit. Die Nöte und Dramen, bedingt duch ein autoritäres Regime, bleiben wie ein Hintergrundrauschen stets präsent, treten aber nie den Vordergrund.
Absolute Leseemfehlung.
Iris Wolff, Lichtungen, Klett-Cotta, 24 Euro