Analog zu einer Kategorie der drei Literaturverliebten von Eat.Read.Sleep, dem Podcast beim NDR, habe ich einen echten Bestseller mit in den Urlaub genommen: „Der Papierpalast“ der amerikanischen Autorin Miranda Cowley Heller. Nun braucht dieses Buch eigentlich keinen Support mehr von mir auf unserer Seite mit den sehr ausgewählten Titeln, die ich hier bespreche, ABER: das Buch ist einfach berauschend. Ein echter amerikanischer Schmöker, in dem es um viel geht, aber die ausufernde Interpretation innerer Prozesse der Akteure einfach unterbleibt. Cowley Heller erzählt. Mitreißend und jeder Figur freundlich zugewandt erzählt sie die Geschichte zweier befreundeter Familien, die sich jeden Sommer auf Cape Cod im Familiensommerhaus (eben jenem Papierpalast) treffen und den Sommer genießen. Elle und Jonas kennen sich von Kindheit an und in diesem Sommer, beide sind bald 50, schlafen sie das erste Mal miteinander (der einzige krasse sprachliche Mangel: das Wort, ich nenne es hier nicht, das im Buch für diese Tat verwendet wird, passt so gar nicht zu dem, was Jonas und Elle verbindet).
Das Buch spielt an einem einzigen Tag, denn mit dieser Tat kommt etwas ins Rollen, das viel früher begonnen hat. Elle nimmt uns mit in ihre Kindheit in den Siebziger und hier eröffnet sich eine krasse Differenz zur heiteren Sommerzeit mit Barbeque, Witzeleien und Badespaß: Elle hat eine grauenhafte Familiengeschichte, in der es von Inzest über Vergewaltigung und Trennungen der Eltern so ziemlich alles gibt, was dysfunktionale Familien kennzeichnet. Genau darin zeigt sich aber auch das erzählerische Können der Autorin, denn sie reißt mit, sie sorgt dafür, dass die Lesenden mitgezogen werden und durch die sehr gekonnten Dialoge und die liebevolle Figurenzeichnung immer wieder in etwas Positives zurückkehren. Es stellt sich eben genau keine bleierne Schwere ein, sondern ein heiteres, leichtes Sommergefühl bleibt erstaunlicherweise stimmungsprägend.
Elle muss sich entscheiden, das fällt sogar der Lesenden schwer, denn ihr Mann Peter ist einfach nur sympathisch, ebenso wie Jonas, der auf ganz andere Weise für sich einnimmt.
Am Ende war ich traurig, als das Buch zuende war. Es ist ein würdiger Nachfolger für „Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens, finde ich.
Miranda Cowley Heller, Der Papierpalast, Ullstein Verlag, 23,99 Euro
aus dem amerik. Englisch von Susanne Höbel