Wundervoller Schmöker für kalte Winterabende: „Und dahinter das Meer“ von Laura Spence-Ash

Dieser Roman lädt ein zum Schwelgen – und doch geht es um ganz entscheidende Fragen.

Über fünfunddreißig Jahre hinweg folgen wir der Geschichte zweier Familien. Es beginnt 1940, mitten im Krieg. Die Thompsons entscheiden sich, wie viele andere englische Familien, schweren Herzens, ihre Tochter zum Schutz vor dem Bombenterror in die Obhut einer amerikanischen Familie zu geben.
Beatrix ist gerade 11 Jahre alt geworden und tritt – wütend auf ihre Eltern und zutiefst traurig- die lange Schiffsreise nach Bosten an. Die Gregorys, ein liebenswürdiges Ehepaar mit zwei Söhnen, empfangen Bea mit großer Zuneigung. Sie erlebt in ihrem neuen Zuhause in Maine eine ganz andere, sehr naturnahe Umgebung und lernt ein Leben ohne Entbehrungen kennen.
Die Lebenswelten könnten unterschiedlicher nicht sein zwischen dem kriegsgeschüttelten England und der heilen Welt einer amerikanischen Mittelschichtsfamilie.
Beatrix staunt und fühlt sich manches mal diesem Leben gar nicht gewachsen.
„Schließlich erzählt sie es Mrs G am Abend, bevor sie aufbrechen, als sie in der Badewanne sitzt und Mrs G ihr den Rücken einseift. Ich muss Ihnen was sagen, stößt sie unvermittelt hervor und schlingt die Arme um die Knie. Ich kann nicht schwimmen. Dann fängt sie an zu weinen, richtig laut und heftig. Sie kommt sich so dumm vor. Oh Schätzchen, Liebes, sagt Mrs G und legt ihre trockenen Arme um Beas nassen Körper. Deswegen musst du doch nicht weinen.“
Und natürlich bringen ihre „Brüder, William und Gerald, ihr mit Freuden das Schwimmen bei.

Die Rückkehr nach fünf Jahren erzeugt das gleiche Heimweh und die Sehnsucht nach ihrer amerikanischen Familie begleitet Bea ihr Leben lang. Was ist Familie – nur Blutsverwandtschaft?

Ich schreibe folgendes nicht gerne, aber in diesem Falle dann doch: das Buch hat mich an „Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens erinnert – nur dass „Und dahinter das Meer“ mit weniger „Schwulst“ auskommt und das Thema, um das es geht, sicherlich für viele eines ist.
Wunderbar.

Laura Spence-Ash, „Und dahinter das Meer“, übersetzt von Claudia Feldmann, Mare Verlag, 25 Euro