Tante Martl

Ich muss Ihnen noch schnell von einem Buch berichten, auch wenn dieses, wie so viele Bücher in diesem Corona-Weihnachten, vor dem 24. wegen Lieferengpässen wohl nicht mehr kommen wird: Tante Martl von Ursula März. Selten habe ich so herzhaft gelacht und das tut einfach gerade richtig gut.
Eigentlich ist das Thema gar nicht so leichtfüßig, das Ursula März hier anhand ihrer Tante verhandelt. Es geht um Geschwisterrivalität und Rollenzuschreibungen innerhalb der Familie und das lebenslange daran Leiden.
Die eine Schwester ist die Schöne, die Andere die Unscheinbare, die Dritte ist einfach nur da. Die Schöne darf alles und muss nichts, die Unscheinbare, eben Tante Martl, sollte überdies ganz unbedingt ein Junge, der Stammhalter, sein. Das aber erfüllt (!) sie nicht, so dass sie eigentlich ignoriert wird, zumindest vom Vater. Tun und machen soll sie aber auch und so fügt sie sich in die Rolle der Junggesellin, die Zeit ihres Lebens im Elternhaus verbleibt, als Volksschullehrerin aber beliebt und eigenständig ist. Die schöne Schwester hat es in Wahrheit jedoch auch nicht so leicht, denn ihr Lebenstraum (Ärztin) erfüllt sich im Deutschland der Fünfziger Jahre gar nicht. Das beschreibt Ursula März feinfühlig und zart, wie nebenbei bekommt jede Schwester Aufmerksamkeit in diesem Buch. Am meisten aber doch Tante Martl, die die Autorin schon als Kind regelmäßig für Wochen in den Ferien besucht und zu der sie eine enge Beziehung hat. So eng es eben geht mit der Generation der ab 1920 Geborenen. Das Witzige an der Zusammenstellung von Tante Martls Leben sind die Zitate von Martl selbst. Diese sind im feinsten Pfälzer Dialekt und eben deshalb urkomisch in ihrer ganzen Widerborstigkeit, Ruppigkeit und Autorität.
Erbost ist die schon sehr alte Martl immer über Thomas Gottschalk, den mag sie so gar nicht: „Ursi“, schrie sie ins Telefon, „des sin Millione! Des isch doch net normal!“ Der Hinweis der Nichte, dass dieser sicher nicht Millionen für eine Sendung einstreiche, pariert Martl mit einem trockenen Hinweis: „Du hascht doch ke Ahnung“. Rauhbautzig, wie wir Norddeutschen sagen….
Wenn es wieder da ist, dieses Buch, gibt es Corona wohl auch noch, aber dann naht zumindest kurzfristige, freudvolle Ablenkung durch dieses Buch.

Piper Verlag, 11 Euro