dtv, 10,90 Euro
Lillian fühlt sich von einem, zunächst wie ein Phantom wirkenden, Mann namens Blackway bedroht. Er soll die Scheibe ihres Autos eingeschlagen und ihre Katze getötet haben, davon ist Lillian überzeugt. Sie wendet sich an Sheriff Wingate, der jedoch, entweder aus Trägheit oder aus Angst, nichts unternimmt. Stattdessen empfiehlt er ihr, sich in einem Sägewerk nach Scotty Cavanaugh zu erkundigen, der ihr helfen könne. Parallel dazu blendet der Roman immer wieder zu einer Runde sehr kauziger Männer, die in eben diesem Sägewerk ihren Treffpunkt haben. Allein die Beschreibeung dieses Ortes genügt, um sich vollends im ländlichen Amerika (der Roman spielt in Vermont) angekommen zu fühlen. Whizzer, der Boss des Sägewerkes, ein schwerbeschädigter Rollstuhlfahrer, bestimmt Lester und Nate the Great als Helfende, denn „Scotty ist nicht da“. Lillian fühlt sich nicht ernst genommen, denn Lester ist alt und humpelt, Nate dagegen ein ebenso kräftiger wie geistig eingeschränkter junger Mann. Dennoch machen sich die drei auf die Suche nach Blackway, denn Nate hat vor niemandem Angst und der alte Lester hat so seine Tricks auf Lager. Ihre Suche führt das Trio letztlich in ein großes Waldgelände, die gefürchteten Lost Towns.
Während wir also die nach Blackway Suchenden einerseits verfolgen, läuft parallel das Gerede der restlichen Männer im Sägewerk weiter:
»Im Augenblick ist das da oben Wildnis.«
»Wo ein Mann frei sein kann«, sagte Coop.
»Das denkt Blackway ebenfalls«, sagte Whizzer.
»Keine Frauen«, sagte D.B.
»Keine Kinder«, sagte Coop.
»Kein Verkehr«, sagte D.B.
»Kein Telefon«, sagte Coop.
»Keine Polizei«, sagte Whizzer.
»Keine Polizei?«, sagte Conrad. »Und was ist mit Wingate?«
»Was soll mit ihm sein?«, sagte Coop.
»Wingate ist der Sheriff«, sagte Whizzer. »Der Sheriff ist für seinen Bezirk zuständig. Und die Towns sind nicht in seinem Bezirk.«
Bereits 2008 erschien »Go With Me« und ist nun auf Deutsch erschienen. Ein Novum für Castle Freeman, dessen übrige Romane bislang nicht übersetzt wurden. Es mag damit zusammen hängen, dass der knapp 170 Seiten dünne Roman im letzten Jahr mit Julia Stiles (Lillian), Anthony Hopkins (Lester) und Ray Liotta (Blackway) verfilmt wurde.
Skurril und sehr witzig lesen sich die vielen Dialoge der einfachen Männer, die weder über besondere Formulierungskünste noch über besondere Geistesgaben zu verfügen scheinen. Dennoch wissen alle drei „Bescheid“ über die Gesellschaft, in der sie leben und überleben mit den Tricks, die sie sich angeeignet haben. Sie stehen füreinander ein. Das müssen sie auch, denn das Leben in diesem armen, vergessenen Landstrich ist hart, die Wildnis wohnt nebenan und kann jederzeit auf den kleinen Flecken Zivilisation übergreifen – dieses Gefühl bewirken die Dialoge und die Handlungsführung jedenfalls. Es passiert tatsächlich nicht viel, aber die ominöse Figur des Blackway erzeugt eine unterschwellige Spannung und treibt das Buch voran. Was erwartet die drei, wenn sie Blackway gefunden haben? Gibt es ihn überhaupt? Oder ist er in Wahrheit nur ein Symbol für die Wildnis, die letztlich unbesiegbar bleibt?
Ein Krimi, der für Leute geeignet ist, die Vergnügen an skurrilen Charakteren und Menschenstudien haben.