Maggie o´Farrell, Judith und Hamnet
Agnes kämpft um ihren Sohn Hamnet, der Beulen am Hals hat. Als Kräuterheilkundige wartet sie mit allem auf, das ihr zu Gebote steht, doch der Elfjährige stirbt. Die Trauer der Familie um den Sohn nimmt den größten Teil dieses fantastischen Romans ein, der intensiv das 16. Jahrhundert lebendig werden lässt und gleichzeitig eine Geschichte erzählt, wie sie in vielen Familien damals vorkam. Das Besondere an dieser Familie ist, dass der Vater kaum eine tätige Rolle spielt, weil er in London eine Theatertruppe leitet und Stücke schreibt. Es handelt sich also um Shakespeare, dessen realer Sohn tatsächlich an der Pest verstarb. Das Großartige an diesem Roman ist, dass die Familie Shakespeares, insbesondere seine Frau, die Hauptrollen spielen und dieses Leben sich in den Stücken Shakespeares, besonders in Hamlet, wiederfindet. Ohne dass die Dramen auch nur mit einem Worte genannt würden, auch der Name Shakespeare wird nie erwähnt. Agnes, Judith und Hamnet und der gesamte Hausstand sind die Hauptfiguren in diesem packenden Roman, der tief ins Innere dringt in seiner sprachlichen Wucht und mit seinem spannenden Aufbau. O´Farrell wechselt zwischen den Jahren 1583 und 1600, dem Todesjahr Hamnets und schildert uns auf diese Weise die Entwicklung, die das Leben Shakespeares als auch Agnes´genommen hat. Die Falknerei und Kräuterkunde, die die sehende Agnes als Jugendliche erlernt, macht sie zu einer Außenseiterin, ebenso wie Shakespeare als Gelehrter ein Außenseiter ist. Sie heiraten, als er noch keine 18 Jahre alt ist und bekommen drei Kinder. Die Schilderung der ersten Ehejahre, die Einfühlsamkeit, die Agnes ihrem Mann gegenüber aufbringt und die Liebe, die zwischen ihnen herrscht, wird mit den Händen greifbar, ohne kitschig zu sein. Das innere Wissen, die Klarheit, die Agnes ausstrahlt, sind es, die eine Logik im Geschehen und Handeln und dadurch das Gefühl des Dabeiseins erzeugen. Ein brillianter Roman.
Piper Verlag, 22 Euro