Davon gibt es plötzlich ganz viele: Romane, die das gute alte Freibad, gefühlt der Siebziger Jahre, zum Mittelpunkt haben. Zuletzt hatte ich hier ja den Roman „Seemann vom Siebener“ von Arno Frank besprochen, der an einem einzigen Tag in einem kleinen Freibad spielt.
In Caroline Wahls Roman ist das Freibad der Ort, an dem sich die 23-jährige Tilda dem Alltag entzieht und verarbeitet, was sie in ihrem Leben zu leisten und zu erleiden hat. Da ist die alkoholabhängige Mutter, die es in Schach zu halten gilt, ihre kleine Schwester Ida, die sie vor der oft gewalttätig werdenden Mutter beschützen muss, dann ihr Mathestudium, ihr Job im Supermarkt, die Begegnungen mit dem Tod, mit Freundschaften, mit leisen Verliebtheiten, für die eigentlich kein Raum mehr bleibt. Vor allem gibt es die Frage danach, wann und wie sie es schaffen kann, ihr eigenes Leben zu leben und sich von der Rolle der Hüterin ihrer Schwester so zu lösen, dass niemand zu Schaden kommt.
Die Menschen, die in Tildas Leben eine Rolle spielen, sind alle sehr unterschiedlich, sowohl von der Herkunft als auch von den Charakteren her, aber alle sind ihr wohlgesonnen und nehmen wahr, was los ist.
Der Weg, den Tilda beschreiten muss, beschreibt Caroline Wahl einfühlsam und sprachlich treffend, ein wirklich gelungenes Buch, das mir großen Lesegenuss bereitet hat.
Caroline Wahl, 22 Bahnen, Dumont Verlag, 22 Euro