Ein Wunder: ich habe eine Art Krimi gelesen und diese Erfahrung möchte ich doch gerne mit Euch und Ihnen teilen. Das Buch ist nämlich tatsächlich spannend und dennoch ohne Blutvergießen oder psychische Folter im Übermaß.
Worum geht es:
Tracy fährt im Sommer 1975 in das Survival-Ferienlager „Camp Emerson“ in den Adirondack Mountains, Wälder im Osten der USA. Sie ist eine gemoppte 13-Jährige, die nicht davon ausgeht hier nun, in den zwei Monaten Sommerlager, Freundschaften zu schließen. In ihrem Haus „Balsam“ schläft sie in einem Stockbett mit Barbara. Barbara, ebenfalls 13 Jahre alt, gehört zu der Eigentümerfamilie Van Laar, die in einem hochherrschaftlichen Haus am entfernten Rand des Lagers lebt. Sie ist Punk und gilt als unbeherrscht und schwierig, die Eltern sind froh, sie für zwei Monate los zu sein.
Barbara und Tracy freunden sich an.
Bear, der 1961 verschwundene Bruder Barbaras, beherrscht das Leben der Mutter, Alice, die das Verschwinden Bears nie verwunden hat und in einem stetigen Valium-Nebel lebt.
Dann, gegen Ende des Sommers, verschwindet auch Barbara. Ermittlungen werden aufgenommen, eine junge Ermittlerin, Judy, heftet sich an die Fersen der Familie Van Laar, die sich verdächtig verhält und offensichtlich eine Menge zu verbergen hat.
Die verschiedenen Zeitebenen und die unterschiedlichen Protagonisten zeigen ein Klassengefälle auf, das in den 1970ern noch ausgeprägter war als heute. Die Zeitebenen erzeugen eine enorme Spannung, weil Vermutungen bei den Lesenden forciert werden und Vielschichtigkeit erzeugt wird – eine sehr gelungene Struktur.
Ja, das Buch nutzt sämtliche Klischees, die sich denken lassen: die Reichen haben kein Gewissen und frönen dem Hedonismus, die schwer arbeitende Bevölkerung dagegen hat eines und handelt nach diesem, die unterschätzte junge Ermittlerin hat das bessere Gespür als ihre männlichen Kollegen und knackt auch den schlimmsten Serienmörder.
Aber: das Buch entfaltet einen enormen Sog und will bitte schnell bis zum Ende gelesen werden. Dieses Ende ist teilweise durchaus überraschend und vor allem konsequent zuende gedacht und vorbereitet. Das Setting in der Natur ist gelungen erzählt und passend zu den Protagonisten ausgewählt.
Spannung und Unterhaltung sind garantiert.
Liz Moore, Der Gott des Waldes, aus dem Amerikanischen von Cornelius Hartz, Beck Verlag, 26 Euro