Joachim B. Schmidt, Kalmann
Kalmann ist ein Haifischjäger und der selbsternannte Sheriff eines kleinen Dorfes in Island, erkennbar am Cowboyhut und der „Mauser“, die er im Pistolengürtel stets bei sich führt. Und Kalmann, das wird sofort deutlich, ist offensichtlich so schlau wie beschränkt, so liebenswert wie cholerisch und ein Mensch, der vieles gedanklich durchdringt und zu seiner Aufgabe macht. Vermutlich ist er intellektuell irgendwie eingeschränkt, wie wird nicht gesagt, aber er ist doch mit einer Form von Vernunft begabt, die manch Anderen in seinem Dorf abgeht. Das Buch ist kein Krimi, obwohl Kalli sich mit so abstrusen wie sinnvollen Ideen an der Aufklärung des Mordes an einem Geschäftsmann versucht. Kalli durch seine täglichen Verrichtungen zu begleiten ist das Vergnügen, das dieses Buch bereitet. Berührend wird das Verhältnis Kalmanns zu seinem mittlerweile im Heim lebenden Großvater geschildert, den Kalli wöchentlich besucht. Von ihm hat er seinen Beruf und das Herstellen der isländischen Spezialität Gammelhai erlernt und durch ihn ist er all den Hänseleien in der Schule heil entkommen. Schön sind auch die vielen Stellen im Buch, in denen Kalmann durch die Natur streift und die Lesenden mitnimmt in die rauhe und beinahe unwirtliche Einsamkeit Islands. So tief in diese wilde Schönheit einzutauchen bewirkt auch, dass die Aufklärung des Todesfalles immer wieder in den Hintergrund rückt und gleichzeitig erst vor der Kulisse dieses Eilandes klar wird, worum es eigentlich geht – eben nicht nur um den Tod eines einzelnen Mannes, sondern auch um das Ende einer Epoche der Fischerei in dem Dorf Kalmanns, um die Auswirkungen des Klimawandels und die Frage, was Gemeinschaft eigentlich ausmacht. Durch die Augen Kalmanns betrachtet und immer wieder auch zum Lachen aufgefordert bereitet dieser Roman große Lesefreude.
Diogenes 2020, 22 Euro