Dieser Roman kam über den Kontakt zur Autorin Andrea Landfried als Leseexemplar zu mir – und das war ein großes Glück.
In drei lose verbundenen Abschnitten zeichnet Landfried jeweils das Portrait der Beziehung zweier Frauen aus unterschiedlichen Generationen, die eine große erotische Anziehung verbindet.
Im ersten Abschnitt geht es um eine namenlose Musikerin, die sich in eine etwa 15 Jahre ältere Fotokünstlerin verliebt, die sie zwei Jahre lang täglich, wie es im Titel des Buches anklingt, für zweieinhalb Stunden trifft. Von Beginn an ist klar, dass Ruth Mann und Kind nicht verlassen wird für die Musikerin, was diese zunächst kaum akzeptieren mag. Beeindruckend ist die Schilderung der unendlich langsamen Annäherung der beiden Frauen: anfangs liegen sie viele Stunden nur nebeneinander und genießen das, was sich in ihnen öffnen kann. Herzensöffnung und Herzensverbindung, darum geht es in allen drei Geschichten. Der sexuelle Akt an sich wird nicht geschildert, weil es sich vordringlich nicht um eine körperliche „Tat“ handelt, sondern die Seelenverbindung das Gewollte und Entscheidende ist. Landfried arbeitet dieses fein, zurückhaltend, und ja, delikat heraus, das Verschweigen ist eines ihrer großen Stilmittel.
Im zweiten Abschnitt lernt die Mittvierzigerin Sarah, als Begleiterin ihres Mannes zu einem Studienaufenthalt in Berkely, die achtzigjährige Angela kennen und verliebt sich schwer. Angela bleibt sehr zurückhaltend und es passiert äußerlich nichts außer Händchenhalten und Umarmungen. Dennoch, Sarah muss wiederkommen. Hier hat mich auch sehr die Beschreibung des sinnlosen sexuellen Aktes Sarahs mit ihrem Mann Samuel beeindruckt, der so gar nicht in Kontakt geht mit Sarah, sondern quasi eine Aufgabe erfüllt. Die Sehnsucht Sarahs danach, „gesehen“ zu werden, kanalisiert sich in ihrer Sehnsucht nach Angela. Wie Landfried das herausarbeitet, das ist wirklich große sprachliche Kunst.
Vielleicht sind die drei Hauptpersonen ein und dieselbe Person zu unterschiedlichen Zeitpunkten, aber das ist nur eine Vermutung. In jedem Falle variiert Landfried die Themen Altersunterschied, Herzensbindung und Gesehenwerden in diesen drei Teilen auf wirklich bereichernde Weise.
Ich habe noch nie so ein zurückhaltendes Buch über erotische Anziehung gelesen, das so viel Raum schafft für die innere Bindung der ProtagonistInnen und dem, was wirklich nährt.
Und: die Schönheit einer Herzensverbindung gilt ganz sicher nicht nur für lesbische, sondern ebenso für homo- und heterosexuelle Beziehungen.
Andrea Landfried, „Pasteurgasse 4, täglich“, Frankfurter Verlagsanstalt, 22 Euro