Die dreiteilige „Biografie einer Frau“ von Julia Schoch begann mit „Das Vorkommnis“, es folgte „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ und nun, als krönender Abschluss, „Wild nach einem wilden Traum“.
Vorab: ich bin begeistert!
Mit diesem Buch beendet die Autorin eine Reihe, in der sie über die unterschiedlichen Rollen (-bilder) eines (Frauen)-Lebens schreibt und damit aufblättert, das wir nie nur eine einzige Person sind.
Im ersten Teil geht es um eine Autorin, die auf einer Lesung einer Frau begegnet, die behauptet, ihre Halbschwester zu sein. Die erzeugte Irritation durch diese Aussage und ihre Auswirkungen auf das Selbstverständnis sind hier das Thema.
Im „Liebespaar“ beschreibt sie das Leben als Partnerin, Mutter, Geliebte, die ganz große Liebe, die nach vielen, vielen Jahren zu einem Ende kommt. Ein Ende, das schier nicht vorstellbar schien zu Beginn der Liebe. Allein dadurch, dass Leben passiert und Mann und Frau sich verändern, geht eben auch manchmal eine Liebe zuende.
Im neuen Buch spielt ein Katalane, der keinen Namen bekommt, eine entscheidende Rolle. Die ebenfalls namenlose Protagonistin lernt ihn bei einem Schreibaufenthalt in den USA kennen und beginnt mit ihm eine Affäre für die Dauer des Aufenthaltes. Ganz abgekoppelt von Mann und Zuhause gibt sie sich dem Erleben dort hin und kann den Katalanen auch daheim gedanklich nicht gehen lassen, denn er steht für einen Wendepunkt in ihrem Leben, in ihrem Selbstgefühl.
Dieses Erlebnis verbindet Schoch gekonnt mit einem Soldaten, der der Protagonistin als Kind in ihrem kleinen Garnisonsdorf in der DDR begegnet. Er ist es, der ihr rät, ihrem „wilden“ Traum vom Schriftstellerinnen-Sein nachzugehen.
Die Begegnnug mit dem Katalanen wiederum ist es, die der Hauptfigur den Mut gibt, sich vollständig und ganz der Autorenschaft zu widmen. Diese Entscheidung wirft die Frage auf, was das für die Angehörigen bedeutet. Schonungslos widmet sich Schoch der Erkundung dieser Frage, während sie gleichzeitg diese, wahrscheinlich auch eigenen, Fragen in große literarische Kunst verwandelt, indem sie Allgemeingültgkeit erzeugt. Jede Frau kann sich hier wiederfinden, selbst dann, wenn sie gar keine Autorin sein möchte, sondern etwas anderes für sich wählt. Es geht darum, sich für etwas zu entscheiden und dieses zu verfolgen unter Inkaufnahme, dass unter Umständen Konsequenzen für die Beziehungen entstehen, die es im eigenen Leben gibt.
Dass die drei Bücher auf eigenem Erleben basieren, ist als gegeben anzunehmen, nur WIE Schoch diese Anleihen an das eigene Leben verwandelt, hebt ihre Bücher aus der Vielzahl autofiktionaler Literatur deutlich heraus.
„Ich bin mir sicher: Abgesehen von der Landschaft um A. herum, den Maisfeldern und der Ausgestorbenheit, war es der Katalane, der mich die Geschichte über den Soldaten schreiben ließ. Manchmal bedarf es eines anderen Menschen, um bestimmte Dinge an den Tag zu bringen und in ferne Bereiche, frühere, dunklere unseres Lebens zu gelangen. Wir benutzen ihn. Genauso, wie er uns benutzt. Wir sind Vehikel füreinander. Zeitfahrzeuge, ohne dass der andere davon weiß. Wir selbst wissen es ja nicht einmal. Die meiste Zeit wissen wir nicht, was wir füreinander sind.“
Genauso war auch „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ angelegt, auch hier verwandelt Schoch das Persönliche ins Allgemeine und formt es in beeindruckende Sätze. Einfach grandios.
Alle drei Bücher stehen übrigens für sich und sind unabhängig voneinander lesbar.
Julia Schoch, „Wild nach einem wilden Traum, dtv, 23 Euro