Auch auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2024: Nora Bossong „Reichskanzleiplatz“

Mit großer Spannung habe ich den Roman von Nora Bossong begonnen und bin tatsächlich in einem gut lesbaren, elegant geschriebenen Roman gelandet.

Protagonist ist der fiktive Hans Kesselbach, der als „Liebhaber aus der Not heraus“ der späteren Magda Goebbels deren Werdegang verfolgt. Zunächst mit dem reichen Günther Quandt, dem Vater von Hans geliebtem Freund Hellmut Quandt, verheiratet, lässt sie sich später scheiden und heiratet „Jupp“ Goebbels, den Propagandaminister der erstarkenden Nationalsozialisten. Dazwischen führt sie am titelgebenden Reichskanzleiplatz einen Salon.

Hans und Magda eint eine Affäre, die einige Jahre geht und Magda den Übergang zu ihrer neuen Ehe ebnet und Hans seine Homosexualität verbergen hilft.

Hans, später als Jurist und Diplomat  in Nazi-Deutschland tätig, ist die eigentliche Hauptfigur des Romans. Er ist es, der nichts für die Nazis übrig hat, sich aber fügt und hinwegsieht über das Grauen, das diese treiben – auch um wegen seiner Homosexualität nicht angreifbar zu werden.  Er ist es, an dem deutlich wird, wie leicht eigennütziges Hinwegsehen das sog. „Dritte Reich“ möglich machte.

Magda ist aus meiner Sicht eher eine herausragende Nebenfigur und ein echtes Porträt der Obermutter der Nation kann ich in diesem Roman nicht ausmachen – dieses wird aber im Klappentext suggeriert und erzeugt eine andere Erwartungshaltung.

Letztlich wurde auch meine Erwartung enttäuscht: das Buch ist ein spannender Roman, elegant, beredt geschrieben, aber letztlich irgendwie ohne Tiefgang und etwas banal.

Nora Bossong, Reichskanzleiplatz, Suhrkamp Verlag, 25 Euro