Moa Herngrens Roman „Scheidung“ erzählt genau davon: von der Trennung und Scheidung eines „alten“ Ehepaares, das, jung zusammengekommen, schon 30 Jahre miteinander verbracht hat.
Es geht los mit Bea, mit ihrer Sicht der Ereignisse in diesem Jahr 2016, als ihr Mann Niklas plötzlich weggeht und nicht wiederkommt. Niklas redet nicht, erklärt nichts, er kommt einfach nicht mehr zurück in die luxuriöse Wohnung in Stockholms Stadtteil Östermalm. Bea hatte gerade die teure neue Küche fertig und war endlich zurfrieden mit Wohnung und Leben und versteht die Welt nicht mehr. Niklas war nach einem Streit gegangen, aber aus Beas Sicht muss er sich doch nur entschuldigen, dann ist alles wieder gut.
Im zweiten Kapitel wird der ganze Zeitraum aus Niklas Sicht erzählt. An dieser Stelle nimmt der Roman enorm an Fahrt auf, weil Niklas etwas völlig Anderes erzählt, als sich im Kopf der Leserin nach dem ersten Romanteil als Bild geformt hatte. Ja, Bea ist die Verlassene und warum Niklas sich nicht einfach mal erklären kann, versteht erstmal kein Mensch, sind die Beiden doch moderne Menschen, die des Redens mächtig sind. Niklas kann aber genau das nicht mehr. Ihm wird, auch mithilfe der unkonventionellen und sehr entspannten Maria, deutlich, dass auch seine Wünsche Gewicht haben dürfen. Dieser Prozess dauert und kann deshalb nicht umgehend in für Bea fassbare Sätze gepackt werden.
Die Zwillingsmädchen der Beiden, Alexia und Alma, sind dementsprechend für Mama/ für Papa und zerrissen zwischen den beiden Elternteilen. Niklas Familie, die für Bea nach 30 gemeinsamen Jahren auch ihre Familie ist, steht zunächst auf Beas Seite, doch die Ereignisse nehmen ihren Lauf und die Haltungen ändern sich.
Wie sich im Laufe weniger Monate die Einstellungen und Bedingungen ändern, erzählt Herngren schnell und schnörkellos, ohne Psychologisierungen viel Raum zu geben.
Als Leserin kann ich Bea verstehen und auch Niklas Bedürfnisse nachvollziehen, vor allem aber wird die Dynamik von Beziehungen deutlich und auch das, was sie zum Scheitern bringt.
Ein wirklich toller Roman.
Moa Herngren, Scheidung, ins Deutsche übertragen von Katharina Martl, Verlag Kein & Aber, 24 Euro