Ein überraschendes Leserelebnis hatte ich mit dem neuen Roman der britischen Autorin Sarah Perry (der einen oder anderen vielleicht bekannt durch „Die Schlange von Essex“, erschienen vor zwei Jahren).
In diesem aktuellen Roman geht es um die mythische Figur „Melmoth die Zeugin“, die der Hauptfigur Helen begegnet. Ein Freund gibt ihr ein Manuskript zu lesen, an dem er selbst schier verzweifelt und in einen Verfolgungswahn abgleitet. Helen, Übersetzerin im heutigen Prag, liest das Manuskript und wird dadurch nach und nach in ihre eigene Vergangenheit gezogen. Diese verdrängt sie seit zwanzig Jahren, indem sie vollkommen askethisch lebt, kaum Freunde hat und sich selbst durch die Askese für ein Geschehen bestraft, an dem sie sich die schuld gibt.
Die Geschichte spielt auf verschiedenen zeitlichen Ebenen, die aber unkompliziert nachzuvollziehen sind, und vermischt das heutige Prag mit mysthischen, gruseligen Begegnungen und Geschehnissen in der Vergangenheit. Perry holt weit aus, auch der Faschismus in Prag spielt eine Rolle, Menschen, die zu dieser Zeit dort lebten und ebenfalls Melmoth begegnet sind. Melmoth erscheint als Figur in weiten, durchscheinenden, schwarzen Stoffen, ihre Augen leuchten blau und sie ist die einsamste Person, zum ewigen Leben verdammt, auf ewig die Zeugin aller Schrecknisse, die auf der Erde passieren.
Das Buch ist wirklich gruselig, es erinnert mich ein bisschen an den „Schatten des Windes“ von Ruiz Zafon und ganz habe ich auch nicht verstanden, wie das Ende gemeint ist. In jedem Falle habe ich es gespannt und gepackt gelesen und würde mich freuen, wenn jemand, die oder der es auch gelesen hat, mir mal den Schluss erklärt…..
Eichborn, 24 Euro