So genannte Bestseller finde ich ja nicht immer unbedingt so bestens wie erhofft, aber doch, es gibt Bücher ganz oben in den einschlägigen Listen, die dort, aus meiner Sicht, zu Recht stehen. Dazu gehört auch dieser Titel von John Ironmonger, „Der Wal und das Ende der Welt“. Ironmonger schrieb dieses Buch bereits 2015 und es verschaffte mir fast noch mehr gruselige Frostschauer als das Buch „Sladehouse“, das ich auch gerade in den „Entdeckungen“ besprochen habe. Bei dem hier rezensierten Buch handelt es sich allerdings nicht um einen dezidierten Schauerroman, sondern um eine Vision, die durch ihr Thema in diesem Jahr erschreckenderweise Realität wurde.
Es geht um einen jungen Mann, der aus der Finanzwelt der Londoner City in einen kleinen Ort am Ende Englands flieht, weil er meint, einen schlimmen Fehler begangen zu haben. Dort wird er vom Meer verschlungen und wieder an Land gespült, wo ihn die Bewohnerinnen und Bewohner St. Pirans finden. Gleichzeitig strandet ein Wal in der Bucht vor dem kleinen Fischerdörfchen, der von allen gemeinsam wieder ins Meer bugsiert wird. Das Dorf rätselt, was der angespülte Mann und das Auftauchen des Wales wohl gemeinsam haben könnten. Joe, eben dieser junge Mann, war Analyst bei einem Bankenableger, in dem auf fallende Kurse gewettet wird. Seine Aufgabe bestand darin, Zusammenhänge herzustellen zwischen Ereignissen in der Welt, aus denen wiederum auf fallende Kurse bestimmter Firmen geschlussfolgert und somit auch gewettet werden konnte. Dazu hat er sich eine Software ausgedacht und genau wegen dieser Software drohte ein weltweiter Aktienmarkt-Zusammenbruch, dem er entfliehen wollte. In St. Piran nun findet er ein Zimmer und bleibt, weil er es genießt, in so einer guten Gemeinschaft zu sein. Allein, das Aufspüren von Zusammenhängen liegt ihm im Blut und so entdeckt er, dass ein Grippevirus die Welt bedroht und trifft Vorbereitungen. Diese Geschichte wird erzählt, und natürlich ist es „krass“, mitten in dieser Corona-Zeit ein Buch darüber zu lesen, was wir gerade erleben, teilweise sogar in Details vorweggenommen. Ironmonger nimmt sich viel Zeit für die Charaktere, eine kleine Liebesgeschichte fehlt auch nicht und es sind viele Klischees und Kitschmomente zu finden. Dass alle so gut sind, wie hier dargestellt, wäre eine schöne Sache, aber wo finden sich so viele charakterlich einwandfreie Menschen auf einem Haufen? Diese Defizite sind aber alle nicht gravierend, denn die beschriebene Vision ist eine schöne und tröstliche und vielleicht gibt es ja viel mehr „gute“ Menschen, als wir wissen, weil unser Blick oft so sehr auf das Negative gerichtet ist?
Mein Fazit: ich habe das Buch aus gegebenem Anlass sehr gebannt gelesen und empfehle es allein deshalb, weil es so wundersam vorwegnimmt, was uns gerade passiert und gleichzeitig eine wohltuende Idee entwickelt, wie es sein könnte.
Fischer Taschenbuch, 12 Euro