Wochenendlektüre: Mona Høvring, „Was helfen kønnte“

Überraschung am Wochenende: eigentlich hatte ich ein kleines, nettes Buch zu den Nöten einer Pubertierenden erwartet, die sich irgendwie auflösen durch hilfreiche Menschen im Umfeld – sowas wie eine tolle Lehrerin oder einen spirituellen Sporttrainer oder so.

Doch es ist anders gekommen: Laura, ein norwegisches Mädchen, verliert mit sechs Jahren ihre Mutter, die sich umbringt. Ihr Vater scheint nie da zu sein und wenn er da ist, spricht er eigentlich nicht. Lauras Bruder Magnus, drei Jahre älter, gibt ihr ein wenig Halt, aber eigentlich ist Laura sehr einsam und phantasiert viel vor sich hin. Einzig die Nachbarn Andreas und Johanna bilden eine Anlaufstelle, die Laura Frieden und Zugehörigkeit vermittelt.

Der Roman beginnt mit dem Satz: „Als ich neun Jahre alt war, lernte ich schwimmen. Meine Mutter brachte es mir im Traum bei, da war sie schon tot.“ Überrascht las ich weiter und war sofort im Geschehen. Laura steht nach diesem Traum mitten in der Nacht auf, geht an den Strand und schwimmt, bis der Grund zu weit weg ist und sie Wasser schluckt. An den Strand zurückgekehrt fällt ihr ein Erlebnis mit ihrer „schönen Mutter“ ein, so dass sich das Erleben mit dem Traum und mit der Erinnerung vermischt und eine zarte, verletzliche Stimmung entsteht. Dieses Zarte und Verletzliche zieht sich durch die im folgenden geschilderten 10 Jahre, in denen Laura einsam und doch beherzt nach dem sucht, „was helfen könnte“.

Überrascht hat mich der freizügige Umgang mit Sexualität. Eindeutig und konkret erzählt Laura von ihrem Begehren, von Begegnungen mit Frauen und Männern und sie lässt nichts aus. Dennoch wird den sexuellen Erlebnissen nie zuviel Raum gegeben und sie sind auch weit von Pornografie entfernt – es geht der Autorin darum zu beschreiben, wie Laura ihre sexuelle Identität versucht zu finden. Auch dieser Teil ist zart und die beteiligten Menschen sind freundliche, gutherzige Wesen, die Laura ein Stückchen auf ihrem Weg begleiten. Die Laura zugeschriebene Freizügigkeit und Unverstelltheit wirken authentisch und hilfreich. Im angehängten Interview mit der Autorin wird dieser Teil noch einmal aufgegriffen und erläutert.

Erstaunt hat mich, dass die einfache Sprache und die mit wenigen Strichen und auch nur schlicht gezeichneten Personen doch so eine Kraft entwickeln, dass Laura und ihr Leben stark berühren.

Lesempfehlung für alle, die Siri Hustvedts frühe Romane oder auch Francoise Sagans „Bonjour tristesse“ gerne gelesen haben.