Vernetzen, verweben, gemeinsam sein: Öko-Visionärinnen denken es vor

„Die Ökovisionärinnen Rachel Carson, Lynn Margulis, Donna Haraway“ stehen im Mittelpunkt des neuen Buches der Lübeckerin Charlotte Kerner.
In drei großen Abschnitten erzählt Kerner das Leben, Wirken und Denken dieser drei großen Wissenschaftstheoretikerinnen Amerikas, die bahnbrechende Erkenntnisse und Visionen errungen haben. Erschütternderweise werden sie kaum je genannt, erst in den Anfängen sind Rückbezüge heutiger Klima-Kämpfenden auf die drei Frauen erkennbar.
Rachel Carson (1907 – 1964) wird gern als „Mutter der Ökologie-Bewegung“ zitiert, wofür ihr Buch „Der stumme Frühling“ den Startschuss gab.
Lynn Margulis (1938- 2011) widmete sich den Bakterien und hat die Symbiose als neue sehr wirkungsmächtige Kraft der Evolution ausgemacht.
Donna Haraway, geboren 1944, wurde mit dem „Cyborg-Manifest“ bekannt, das Mitte der Achtziger Jahre erschien.

Charlotte Kerners Buch ist eine Mischung aus Sachbuch und Roman, geschickt verwebt sie, wie es die drei Visionärinnen schon vorgedacht haben, das Fachliche mit der Poesie. In je einer Wissenschaftlerin gewidmeten Kapiteln kommen die anderen Beiden auch zu Wort, kommentieren, sind begeistert vom Gedachten oder verbinden dieses mit eigenen Ideen. Dadurch „lebt“ Kerner das vor, was vor allem auch Donna Haraway, als Jüngste und noch Lebende, mit dem Begriff SF, Science Fabulation, gemeint hat.
Haraway schreibt im „Manifest für Gefährten“: „Das Vergessen korrumpiert Zeichen und Leib und macht Liebe belanglos“ Darum geht es: das Vernetzen von Gewordenem mit dem Prozess zu diesem Gewordenen, das Verbinden von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ebenso das Erzählen, die Poesie der Natur zu erkennen und einzubinden in das Tun als ErbewohnerIn, sind wesentliche Bestandteile des Denkens Haraways.
Ihr anderes Credo lautet „make kin“, macht Euch verwandt, statt dem alten Modell, Nachwuchs zu zeugen weiter ausschließlich zu folgen. GefährtInnen finden, gemeinsam und vernetzt zu leben, zu geben und zu nehmen. Dieses Prinzip wäre eine Möglichkeit, mit der Erde zu leben, statt auf ihr unter Ausbeutung der Ressourcen. Haraways Ideen finden sich heute bereits in vielerlei Theorien zu einem auskömmlichen Dasein der Menschen auf dieser Erde. Sie denkt aber noch weiter und bezieht Cyborgs und genveränderte Wesen in ihr Denken ein.
Rückbezogen sind in Haraways Denken die Arbeit von Lynn Margulis und Rachel Carson wieder zu finden, weiter gedacht und in unsere Zeit transformiert. Spannend am Rande fand ich auch, dass durch Haraways Ideen die Gender-Frage aufgelöst wird, es geht um „Terrestrische“, also Wesen, die mit der Erde verbunden sind. Ob diese nun rein menschlich, weiblich, männlich oder Cyborg sind, ist nicht mehr wichtig.
Der Weg dahin, in ein Leben mit der Erde, wird wunderbar anschaulich in diesem hochspannenden Buch, das sich überdies auch noch sehr gut liest. Hoffnung steht am Ende, das allein tut schon immens gut.
Für Erwachsene, aber auch für Jugendliche ab etwa 15 Jahren ist dieses Buch eine Fundgrube.

Charlotte Kerner „We are vulcanoes“, Westend Verlag, 24 Euro