Titel des Monats: „Das Haus der Türen“ von Tan Twang Eng

Fantastisch, dieses Buch: eine Mischung aus Historie, verbürgten Fakten und einer ganz besonderen Stimmung im damals kolonialen Malaysia, meisterhaft erzählt.

Schicht um Schicht ohne dramatische Überspitzungen nähert sich dieser Roman diversen Abgründen. Der Autor verzichtet auf Knalleffekte, stattdessen zieht er die LeserIn hinein in eine Gesellschaft, die dem Ideal der „multikulturellen Gesellschaft“ sehr nahe kommt – unter der Maßgabe der bedingungslosen Anerkennung des Empire, das dieses friedvolle Zusammenleben garantiert zwischen malaiischen Muslimen, chinesisch-stämmigen Buddhisten, indischen Sikhs im Dienste der britischen Armee und europäischen Christen.

1921: Der damals sehr berühmte Autor Somerset W. Maugham reist mit seinem Sekretär, in Wahrheit seinem Geliebten, Gerald durch die Welt auf der Suche nach neuen Storys. In Penang kommen sie bei Maughams altem Freund Robert und dessen Frau Leslie unter. Maughams Schaffenskraft ist beeinträchtigt, die vielen Reisen haben ihre Spuren hnterlassen und nun kommt noch ein herber finanzieller Verlust hinzu. Leslie ihrerseits hat zunächst Probleme mit der offen homosexuellen Lebensweise der beiden Gäste, fasst jedoch bald Vertrauen zu dem Autor. Sie beginnt, ihm eine vor 10 Jahren passierte Geschichte zu erzählen, in der es um einen Mord geht und darum, welche Rolle Leslie selbst dabei spielt. Pikant ist die stete Gefahr, dass der Autor diese Geschichte verwendet in einem der nächsten Bücher, denn neben der Mordgeschichte spielt auch eine sehr persönliche Begebenheit aus Leslies Leben eine Rolle. Die verschiedenen Geschehnisse vor dem Hintergrund einer streng geordneten Gesellschaftshierachie bekommen eine enorme atmosphärische Dichte, die sowohl durch die asiatischen Gebräuche und Gepflogenheiten (es werden viele einheimische Ausdrücke verwendet) als auch durch die Form der Dialoge erzeugt wird. Ein echtes Meisterwerk, unbedingt lesen.

Tan Twang Eng „Das Haus der Türen“, Ü von Michaela Grabinger, Dumont Buchverlag, 24 Euro