Wie schön, wenn Romane wiederentdeckt werden und dann auch noch so eine Bereicherung darstellen wie Sebastian Haffners Roman „Abschied“.
Ursprünglich hat Haffner das Buch 1932 geschrieben und nun, nach über 90 Jahren ist es der Schublade entkommen, bei Hanser erschienen und wirkt „gut gealtert“, frisch und von hohem Tempo geprägt. Erzählt wird von zwei Tagen in Paris Anfang 1930er Jahre, von Raimund Pretzel (der bürgerliche Name Haffners), der dort das letzte Mal Teddy besucht, mit der er mal eine Liebesgeschichte hatte und die nach Paris ausgewandert ist. Bei einem letzten Besuch Teddys in Berlin ist (ihr) deutlich geworden, wie sehr die Stadt bereits vom kommenden Nationalsozialismus eingenommen ist. Hier hat Haffner offenbar schon sehr deutlich gesehen, was droht. In wunderbaren, sehr direkten Dialogen begegnen sich Raimund und Teddy, eine von Esprit nur so überschäumende Frau, die von vielen dorthin ausgewanderten Männern umschwärmt wird, ansonsten aber im Roman keine detailliertere Beschreibung erfährt. Raimund ist die Hauptfigur, als braver Berliner gehört er auch nie so ganz zu diesem, auch sehr international geprägten, Bohème-Leben dazu.
Die Beiden ringen pausenlos mit der Zeit, nie ist genug Zeit, sich wirklich zu begegnen und dieses Phänomen kann ebenfalls als Hinweis auf die historisch verrinnende Zeit gelesen werden. Der Abschied von einer leichten, lebensfrohen, auch kulturell anregenden Phase steht bevor, neben dem Abschied, den Raimund von Teddy nehmen muss.
Sprachlich fegt Haffner durch die zwei Tage mit vielen Dialogen, vielen mit „und“ verbundenen Sätzen, was wunderbar zu der erzählten Geschichte passt, in der eigentlich kein Raum für Reflektion bleibt bei all der Eile, noch hierhin und dorthin zu müssen, wo diese und jene getroffen werden wollen.
Mir hat dieses schmale Buch das Gefühl gegeben, an einer Zeit teilzuhaben, die ein ganz anderes Maß an Gesellschaftsleben und Kulturerleben kannte, an einem Miteinander, das heute, so scheint es, viel zu kurz kommt. Vom kurzen Liebes- Glück der beiden Hauptfiguren vor diesem Hintergrund zu lesen, ist einfach herrlich.
Sebastian Haffner, „Abschied“, Hanser Verlag, 24 Euro