Nochmal junge Literatur: Leif Randt „Allegro Pastell“

Leif Randt war mit diesem Buch auf der Shortlist zum Preis der Leipziger Buchmesse 2020. Gewonnen hat diesen am Ende Lutz Seiler mit „Stern 111“ – verdient hätte ihn meiner Meinung nach Randt auch.
„Allegro Pastell“ erzählt die Liebesgeschichte zwischen Tanja Arnheim, erfolgreiche Autorin, und dem gefragten Webdesigner Jerome. Sie lebt in Berlin, er bei Frankfurt und über viele Monate hinweg schaffen es die Beiden, ihre Liebe über die Distanz hinweg zu gestalten. Die Gespräche, die sie, und das kommt fast „retro“ rüber im Buch, übers Mailschreiben führen, sind tiefgehend und ehrlich. Jerome versucht, seinem Leben eine spirituelle Dimension abzugewinnen, meditiert und führt ein zurückgezogenes Leben in einem kleinen Dorf abseits Frankfurts, wo er in seinem ehemaligen Elternhaus lebt. Die Beiden besuchen sich für lange Wochenenden in ihren jeweiligen Lebenswirklichkeiten und gestalten auch diese Treffen danach, womit sie sich „wohlfühlen“. Jede Aktivität wird nach dieser Maßgabe bewertet und wirft einen Blick auf diese Generation Y, die schon in „Taubenleben“ von Paulina Czienskowski so schön charakterisiert wurde. Beide sind um die dreißig und suchen einerseits nach einer festen Beziehung, nach Liebe und Geborgenheit, andererseits wollen sie ihre Zuneigung nicht konventionell bieder konservieren. Doch die schmerzhafte Erfahrung der existenziellen Verwobenheit ersparen sie sich lieber. Und genau darin liegt die Kunst dieses Buches – es schildert wahrhaftig und glaubwürdig das „Problem“ der Protagonist:innen oder vielleicht eines großen Teils dieser Generation überhaupt? Sich nicht festlegen können oder wollen, Dinge nur tun, wenn sie einem selbst auch unmittelbar wohl tun, schauen, dass die Work-Life-Balance stimmt. Dieser Fokus ist so ein ganz anderer als der der Leistungsgeneration des Jahrzehnts zuvor. Die Nebenwirkung dieser Haltung kommt wundervoll zur Geltung: das Belanglose, Lasche, Laue hat hier die Oberhand. Die ganze Zeit fehlt das, was das Leben erst „satt“ macht, eben das kraftvolle, unreflektierte Fühlen, das Agieren aus dem Impuls heraus, ungeachtet eventueller Kollateralschäden, die dann nicht mehr so zum Wohlfühlen sind. Selbst der Drogenkonsum bleibt überlegt und geplant und nur so weit zugelassen, wie er das Wohlfühlen nicht beeinträchtigt. Die Sprache Randts passt unglaublich gut dazu: Tanja ist immer „Tanja“, selten „sie“ – fast in Form eines Berichts schildert Randt das Tun der Autorin in ihrem Berliner Alltag. Dadurch entsteht eine sortierte, reflektierte Wiedergabe eines Geschehens, ohne dass Gefühle dabei eine Rolle spielen. Diese Verbundenheit der Sprache mit der erzählten Geschichte ist extrem gelungen.
Ich finde dieses Buch großartig in der Darstellung einer Generation, der das Leben ein bisschen abhanden gekommen zu sein scheint durch pausenloses Reflektion und ständige Analyse. Und: das Buch ist spannend, ich war gebannt und wollte unbedingt weiterlesen.

Kiepenheuer und Witsch 2020, 22 Euro

Gemäldeausschnitt im Beitragsbild: Marita Neumann