Es ist immer wieder höchst spannend, wie der „neue Murakami“ sein wird – ist er so toll wie zum Beispiel „Mister Aufziehvogel“ oder überraschend und spannend wie „Kafka am Strand“ oder bin ich doch betrübt, weil irgendwas Murakami-mäßiges fehlt?
„Erste Person Singular“ hat mich dahingehend nicht enttäuscht.
Die Geschichten sind dicht, fein gewebt, behandeln die typischen Inhalte: Krisen, Abweichungen von der Norm, zweite Realitätsebenen, Essen (!) und das, was Murakami so besonders anziehend macht, das ist durchgängig da: es ist alles bescheiden und „karg“ im guten Sinne. Bei Murakami ist nichts opulent und überbordend, es bleibt alles klein und enthält doch die ganze Welt, die eher im Inneren lebt.
Aber: er wartet in diesen Geschichten auch mit keinerlei Überraschungen auf. Das führt schon auch zu der Frage, ob Murakami noch Themen hat – der letzte Roman „Die Ermordung des Commendatore“ jedenfalls hat mich sehr enttäuscht. Es fehlte der Sinn und Zusammenhalt all der mystischen Pfade, die er dort einschlug. Die Auseinandersetzung mit Kunst, darum ging es in dem Roman, verlief oberflächlich und letztlich auch sinnlos, denn alles blieb beim Alten und so waren die zwei Bände auch etwas mühsam zu lesen.
Also: ich habe die jetzt erschienenen Erzählungen gerne gelesen, denn ich traf auf meine geliebte Murakami-Welt, aber wirklich neu und spannend und herausfordernd ist „Erste Person Singular“ eher nicht – aber doch auch so kurz, dass die Lektüre nicht beschwert, sondern das Buch wunderbar zwischendurch weggelesen werden kann.
Haruki Murakami, Erste Person Singular, aus dem Japanischen von Ursula Gräfe, Dumont Buchverlag, 22 Euro