Der Roman „Lügen über meine Mutter“ von Daniela Dröscher erzählt vom Aufwachsen eines Mädchens in den Achtzigern im Hunsrück. Die Mutter wird vom Vater täglich ob ihres angeblichen „Dickseins“ beschimpft. Ist sie wirklich dick? Das fragt sich das anfangs fünfjährige Kind, das seine Mutter liebt und sehr schön findet. Als Leserin fällt es im Gefolge schwer, es auszuhalten, dass die Mutter bei diesem furchtbaren Vater bleibt, so gemein und ungerecht lässt dieser seinen Frust über den eigenen mangelnden Aufstieg an der Mutter aus. Das sogenannte „Dicksein“ symbolisiert alles angebliche Scheitern, das den Vater bedrückt. Das Fitness-Ideal der Boris-Becker-Jahre schlägt bei ihm voll durch.
Daniela Dröscher hat diesen Roman geschrieben, um über die Ausgestaltung fiktiver Figuren einen Abstand herzustellen zu der Geschichte ihrer Familie und ihrer wirklichen Mutter. Innerhalb des Buches kommen in Abständen jeweils kurze Abschnitte, in denen sie ihre bis dahin verfasste Geschichte mit der Mutter bespricht und sich quasi deren OK holt. Wie das ganze Buch strahlen auch diese Passagen Respekt und Würdigung aus, obwohl die Tochter natürlich die Mit-Leidtragende dieser Ehe ist, aus der die Mutter nicht geflüchtet ist.
Scham ist das Thema, um das es auch geht: das Kind schämt sich für die Mutter, aber tut es das wirklich aus sich heraus oder hat es das Schämen des Vaters übernommen?
Dieser Roman erörtert ein Thema, das sehr viele Frauen und sicher auch Männer kennen und gleichzeitig ist es auch humorvoll in der Beschreibung der familiären Situationen und so gut geschrieben, dass das Lesen wirklich Freude macht.
Mein Favorit für den Deutschen Buchpreis.
Daniela Dröscher, Lügen über meine Mutter, Kiepenheuer & Witsch, Euro