Ein höchst interessantes Buch hat Julia Franck geschrieben. Ein Buch, das kein Roman ist und daher auch literarisch nicht mit ihren Vorgängerromanen verglichen werden sollte. Franck erzählt hier, wie auch Edgar Selge, aus der Kindheit, ihrem Aufwachsen zwischen Ost und West in äußerlich desolaten Verhältnissen, gefühlt ungeliebt und früh auf sich gestellt.
Franck erzählt entlang von Themen, die sich auftun in dem Erzählfluss, in dem sie mit ihrer ersten großen Liebe Stefan schwimmt.
Die Schilderungen dieser Liebe sind grandios und nehmen die LeserIn intensiv gefangen. Genauso sind auch die Berichte über ihre Zeit in Schleswig-Holstein, wohin es die Mutter mit ihren vier Töchtern nach der Flucht aus dem Osten verschlägt. Hier überwiegt manchmal vordergründig ein etwas selbstmitleidiger Ton, der aber dennoch seine Berechtigung hat. Die Lebenslage, in der Julia aufwächst, ist objektiv hart, lieblos und höchst anspruchsvoll. Die Art, wie sie sich in den Zeiten bewegt und immer andere Details beschreibt, ist spannend, auch wenn man beim Lesen eigentlich meint, Spannung verbiete sich vielleicht bei so einem Schicksal. Julia ist tapfer und schlägt sich mit viel Fleiß und harter Arbeit durch, ihr Blick auf sich selbst und die Umstände ist gnadenlos ehrlich. Der Ton des Buches ist frei von Ironie, das macht es zu einem besonderen Lesevergnügen – trotz der inhaltlichen Härte.
Ich fand das Buch sehr gut geschrieben und empfehle, es nach Edgar Selge zu lesen, da die zeitlichen Hintergründe aufeinander folgen und es sehr interessant ist, anhand dieser beiden Personen Geschichte und ihre Auswirkungen zu erleben.
Julia Franck, Welten auseinander, Fischer Verlag, 23 Euro