Jessie Greenglass, Was wir voneinander wissen

Der Debütroman „Was wir voneinander wissen“ der jungen britischen Autorin Jessie Greenglass (geboren 1982), liegt nun in der Übersetzung von Andrea O´ Brian im Verlag Kiepenheuer und Witsch vor.
Die Autorin erkundet auf sprachlich höchstem Niveau das Thema „Entscheidungen treffen“, und zwar die Angst, die mit dem Treffen von Entscheidungen verbunden sein kann. Jeden Tag fassen wir eine Vielzahl von Entschlüssen, in kleinen wie in großen Dingen, und jedes Mal nehmen wir in Kauf, dass Entschlüsse unliebsame Folgen nach sich ziehen können. Nicht immer haben wir Angst vor diesen, vielleicht nur bei den ganz großen, irreversiblen Entscheidungen, deren Folgen wir nicht in Gänze absehen können. So geht es der Ich-Erzählerin in Greengrass´ Roman, die sich damit plagt, ob sie Mutter werden möchte oder nicht. Damit verbunden ist die Frage, was dem Leben eigentlich Sinn verleiht. Das Spannende an dem Buch ist, dass die junge Frau diese Fragen mittels einiger Ausflüge in die Geschichte der Psychoanalyse, durch Gespräche mit ihrer Großmutter, die eine Psychoanalytikerin war, und die Auseinandersetzung mit der eigenen Mutter zu beantworten sucht.
Der Wechsel zwischen diesen drei Hauptebenen machen den Roman interessant und besonders und sehr lebendig, obwohl ja eine eigentlich „alte“ Frage im Zentrum der Klärungsversuche steht. Während es zunächst noch um die konkrete Fragestellung „Kind ja oder nein“ geht, befinden wir uns bald in der Aufarbeitung des Todes der eigenen Mutter, den die Protagonistin begleitet hat. Das Verhältnis zu ihrem Freund Johannes, der, als Randfigur etwas blass, als Partner aber dafür eine umso stärkere Rolle einnehmend, die Ich-Erzählerin geduldig und liebevoll begleitet, erzählt gleichzeitig eine Liebesgeschichte. Dass sie ihre Mutter in den Tod begleitet, indem sie ihr studentisches Leben aufgibt und zurückzieht in das Haus ihrer Mutter, erscheint als ein Weg, die Fragen „Kind“ und „Sinn des Lebens“ betreffend, beantworten zu können. Die Ausflüge in die Geschichte der Psychoanalyse verknüpfen die eigenen Erkenntnisse mit den Antworten, die andere bereits gefunden zu haben scheinen, auf feine Art.
Ein besonderes Buch, das sowohl jüngere LeserInnen begeistern kann als auch älteren einen Blick zurück erlaubt in eine Zeit, als die Fragen an das Leben noch andere waren als sie es vielleicht sind, wenn die Mitte des Lebens überschritten ist.

Verlag Kiepenheuer und Witsch, 20 Euro