Volker Weidermann, bekannt für seine Bücher zu SchriftsstellerInnen, hat sich in seinem neuen Buch „Wenn ich eine Wolke wäre“ Mascha Kaléko gewidmet, die 1937 vor den Nazis nach Amerika emigrieren musste und 1956 erstmals wieder für ein ganzes Jahr nach Deutschland zurückkehrt. Dieses Jahr, aus unserer Perspektive unfassbar, verbringt sie in diversen Pensionen, Hotels oder bei Freunden und erlebt, wie berühmt Ihre Verse immer noch sind., Der Rowohlt-Verlag, verkörpert durch den Granden Heinrich Ledig-Rowohlt, bringt ihr berühmtestes Werk „Das lyrische Stenogrammheft“ neu heraus und es wird ein riesengroßer Erfolg. Lyrik ist auch damals schon eigentlich nicht für die Masse geeignet, aber Maschas Verse sprechen den Menschen aus der Seele oder in ihre Seele hinein. Sie selbst fliegt durch dieses Jahr in einem fortwährend als Wunder erlebten Inneren – es klappt alles, Geld ist einmal ein bisschen vorhanden, die Menschen begegnen ihr freudig und lieben sie alle. Als Lesende nimmt man teil an diesem Glück.
Volker Weidermann hat dieses Jahr anhand der beinahe täglichen Briefe, die Mascha ihrem geliebten Mann Chemjo nach New York schreibt, nachvollziehen können. Er macht aus den Quellen einen ergreifenden Roman, der nachfühlen lässt, wie es um Mascha Kaléko bestellt ist in diesem Jahr der Wunder. Er versäumt es auch nicht, die Menschen, die unter der Hitler-Herrschaft herausragende Posten innehatten und sich nun als eigentlich ja Widerstandskämpfer inszenieren, zu benennen. Mascha selbst ist schnell bereit zu glauben, dass dieser oder jener wohl doch auch nur Mitläufer war, zu beglückend sind die Begegnungen mit Menschen, die sie noch aus den „paar leuchtenden Jahren“ kennen. Diese Jahre waren vor dem Krieg und Berlin, ihre geliebte Stadt, der ihr ganzes Heimweh gilt, ist nur in Teilen noch wiederzuerkennen als der Ort, an dem diese Zeit stattgefunden hat. Sehr deutlich wird, dass Mascha und auch Chemjo als Kunstschaffende um ein mögliches Leben betrogen wurden und dies auch nicht nachholbar ist.
Ein bittersüßes Lesevergnügen!
Volker Weidermann, „Wenn ich eine Wolke wäre“, Kiepenheuer und Witsch, 23 Euro