In „Nach den Fähren“ geht es um eine Insel irgendwo in Deutschland, die von den Fähren nicht mehr angefahren wird. Von einem Tag auf den anderen bleiben die Touristenströme aus, wer kann, flüchtet mit den letzten Booten vor der Abgeschiedenheit.
Jahre vergehen, die verbliebenen Einwohnerinnen und Einwohner haben sich mit der Situation arrangiert. Da es ja auch keine Versorgung mehr gibt, keine Post, kein Geld, organisiert sich das Inselleben als Selbstversorgung. Die Menschen haben aber wohl nicht viel miteinander zu tun, sondern leben isoliert voneinander in der Hoffnung, dass irgendwann wieder Fähren kommen werden. In eher kurzen Abschnitten übertitelt mit „Der Sommerpalast“, „Einige Verluste“, „Das gelbe Haus“ erfahren wir von namenlosen Menschen wie beispielsweise dem Hausmeister, der nach wie vor das Hotel „Sommerpalast“ hegt und pflegt und sich scheinbar keine weiteren Fragen stellt. Eines Tages kommt aus dem Nichts ein Mädchen, das einen Namen trägt, Ada, und am Leben des Hausmeisters interessiert und vor allem fragend teilnimmt.
„Wem gehörte die Insel, fragt Ada vorm Zubettgehen, wem gehört sie jetzt? Er blickt sie an, ohne zu begreifen. Uns, sagt er, natürlich uns. Wir waren hier, nicht nur in den Sommern, sondern auch in den kurzen, kalten Wintern. Wir waren die, die blieben. Wir bleiben noch. Sie antwortet nicht und ihm ist, als übersähe er etwas.“
Ada verschwindet wieder, aber ihre Fragen bleiben wie winzige Partikel und verschieben etwas.
Das Buch ist großartig geschrieben, die Fragen, die sich auftun, zeigen sich in kleinen Veränderungen des Verhaltens aller dort beschriebenen Personen. Vordergründig könnte die Leserin meinen, es ginge um die Folgen des Übertourismus und das ist auch durchaus ein Thema in den Gesprächen der Leute, aber es greift zu kurz. Viel eher steht in diesem Buch die Frage nach dem Sinn von allem in der Mitte und wird von Thea Mengeler so ungewöhnlich und phantasievoll, kurz und knapp und wissend „verhandelt“, dass es eine Freude ist. Und es bleiben viele Fragen offen, das Buch möchte wohl mehrfach gelesen werden.
Thea Mengeler, „Nach den Fähren“, Wallstein Verlag, 20 Euro