Fesselnd und bewegend, spannend und unglaublich – so ist dieses Buch, das noch lange, lange nachhallt.
Die Anthropologin Nastassja Martin lebt einige Jahre bei dem Volk der Ewenen in Kamtschatka, eine Feldstudie nennt sie diese Jahre. Zuvor hat sie solche Forschungsaufenthalte zu den Indigenen Alaskas unternommen.
In Kamtschatka nun begegnet sie einem Bären und wird in dem ungleichen Kampf schwer verletzt. Die Geschichte ihrer Genesung ist ein Teil des Buches, ein anderer sind die Reflexionen über den Menschen im Verhältnis zur Natur, über Ost und West und über die Medizin westlicher Prägung und althergebrachte Heilkunst.
Die Sprache ist erstaunlich schlicht, wenn man bedenkt, wie tiefgreifend das Erlebte Nastassja trifft und zu einer Vielzahl von Überlegungen anregt. In welchem Verhältnis steht der Mensch zur Natur und hat sie selbst eine seelische Verbindung zu dem Bären? Diese Gedankengänge sind so poetisch wie unprätentiös und lässt die Lesenden mit der Überzeugung zurück, dass es genauso nur sein kann. Ihre Überlegungen zeigen außerdem, wie tief sie in die archaische Welt indigener Völker eingetaucht ist und mit welchem Respekt und welcher Ehrfurcht sie sich in deren Gedanken und Leben hineingelebt und von ihnen gelernt hat.
Das Buch hat mich sehr beeindruckt, denn es ist jenseits des „nature writing“ zu verorten, geht viel tiefer und nimmt die Lesenden mit in eine vollkommen andere Existenz-Möglichkeit. Grandios.
Nastassja Martin, „An das Wilde glauben“, Ü: Claudia Kalscheuer, Verlag Matthes und Seitz Pocket, 10,00 Euro