Dorothee Elmiger: „Die Holländerinnen“, Deutscher Buchpreis 2025

Vollkommen eingenommen habe ich dieses Buch gelesen: langsam, immer wieder Unterstreichungen vornehmend, Eselsohren einfügend, bin ich durch dieses Literaturerlebnis gegangen und mein Fazit ist eindeutig: lest dieses Buch!

Ausgehend von einem wahren Ereignis, dem Verschwinden zweier niederländischer Wanderinnen im Dschungel Panamas 2014, engagiert „der Theatermacher“ unsere Protagonistin, eine Schriftstellerin, für eine Expedition auf den Spuren eben jener Holländerinnen. Nur mit allergrößtem Einsatz, so der Theatermacher, wahrhaftig und „schwierig“, könne Theater gelingen.

Die Geschichte dieser Expedition erzählt die Schriftstellerin Studierenden in einer Poetikvorlesung. Darin soll es um ihren Schreibprozess gehen, doch ihr Schreiben ist zu etwas Unmöglichem geworden nach den Erfahrungen, die sie in Panama gemacht hat. Also erzählt sie von den Tagen dort – im Buch komplett im Konjunktiv wiedergegeben.

Eine Vielzahl von Dialogen zwischen den Teilnehmenden, einer Gruppe unterschiedlichster Menschen, vom Dramaturg über den Kameramann bis zur Köchin in der Lodge, die sie bewohnen, werden im Konjunktiv erzählt. Wir sind als Lesende mitten im Geschehen und gleichzeitig erzeugt dies auch Distanz, denn die erzählende Person ist jederzeit anwesend, was durch Hinweise wie „Sie trank einen Schluck“ verdeutlicht wird.  Die Dialoge drehen sich um lang vergangene Begebenheiten, gespickt mit etlichen  philosophischen, cineastischen und literarischen Anspielungen und Verweisen sowie um die allem zugrunde liegende Erkenntnis, wie dünn die Haut zwischen Zivilisation und Natur ist. Die Angst des Menschen davor, der Macht über die Natur verlustig zu gehen, liegt als Basis dem gesamten Roman zugrunde. Das Dunkle, nicht Gekannte, „Unsichtbare“ bedroht jenen kleinen Teil der Sichtbarkeit, den es zu erhalten gilt.

In der Auseinandersetzung damit begibt sich die Gruppe auf einen letzten, tagelangen Marsch im strömenden Regen durch den undurchdringlichen Wald.

Unfassbar tiefgehend, sprachlich großartig und dennoch sehr gut lesbar.

Dorothee Elmiger, „Die Holländerinnen“, Hanser Verlag, 23 Euro