David Grossman, Was Nina wusste, aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer
In diesem Roman reisen Großmutter, Mutter und Tochter sowie der Vater der Tochter zusammen auf die frühere Gefangeneninsel Goli Otok im ehemaligen Jugoslawien. Sie drehen einen Film über das prägende Ereignis in der Biografie Ninas, deren Mutter Vera als junge Frau auf Goli Otok inhaftiert war. Nina ist nun viel zu früh an Demenz erkrankt, der Film soll für sie festhalten, wie Vera endlich die ganze Geschichte ihrer Gefangennahme, ihrer großen Liebe, dem Vater Ninas, erzählt. Vera hat Nina während der zwei Jahre im Gulag sechsjährig allein zurückgelassen und auch Gili wurde von ihrer Mutter Nina allein gelassen. Das Buch handelt von den Traumata, die über zwei Generationen hinweg wirken. Die Annäherung an die damit verbundenen Verwerfungen und Gefühle ist sehr berührend und wirkt lange nach. Ganz allmählich können sich die Frauen den unter rauhem Verhalten vergrabenen Gefühlen öffnen, das erzählt Grossman in so feinfühliger und dabei undramatischer Weise, dass die Lesenden sich vollkommen in die Frauen einfühlen, ja, müssen. Die Übertragung ins Deutsche ist grandios gelungen, weil Anne Birkenhauer jede Form von Kitsch oder Banalisierung vermeidet. Die Seele der Frauen öffnet sich durch kurze Dialoge und Schweigen, durch die Begegnung mit der Gulag-Insel und auch durch das Zusammensein aller vier auf dieser Reise. Dies geschieht ganz unspektakulär und ohne Pathos.
Der Roman beruht auf einer wahren Begebenheit und erzählt neben der Geschichte auch etwas über das moderne Israel, wo drei der ProtagonistInnen leben.
Hanser Verlag, 25 Euro