„Die Anomalie“ machte Le Tellier im letzten Jahr auf einen Schlag bekannt, in diesem Jahr erschien nun ein kleines Werk, das in Frankreich bereits 2017 veröffentlicht wurde, auch bei uns. Diese „spielerische Etüde“ ist ein Buch, in dem wirklich kein Wort zuviel steht. Bissig, entblößend, treffend erzählt er von einem Mann Ende vierzig, der in der Blüte seiner Midlife-Crisis zu stehen scheint.„Es ist nur recht und billig, am Anfang dieser Erzählung ein wenig mehr über unseren Helden zu sagen. Er wird bald fünfzig Jahre alt. Es gibt keine fünfzig Arten, fünfzig zu werden. Es gibt nur zwei: Bei der ersten redet man sich ein, noch jung zu sein; bei der zweiten beklagt man sich darüber, schon alt zu sein.“
Wie ein junger Kerl ist er rettungslos verliebt in ein Mädchen und macht sich nun von Paris aus per Flugzeug auf den Weg zu einem Besuch: „Er reist ins Herz der Highlands, um eine Frau wiederzufinden, eine, wie das zuweilen in Schottland vorkommt, sehr blonde Frau, zwanzig Jahre jünger als er, womit ihr Porträt nicht einmal ansatzweise umrissen wäre.“
Von Anfang an wird klar, dass das Mädchen nichts weiter von ihm will, einen Freund hat, der altersmäßig zu ihr passt und überhaupt: sie hat wohl einfach eine kurze Zeit mit ihm genossen und will einfach nicht mehr von unserem „Helden“. Genau so bezeichnet Le Tellier die beiden stets in den spitzzüngigen, den Kapiteln vorangestellten Einleitungen, die gleichzeitig auf den dann folgenden Kapitelinhalt verweisen. Das wirkt so herrlich altertümlich und gibt dem Buch noch eine weitere Dimension hinzu. Vollgestopft mit Verweisen und Anspielungen auf Shakespeare, Steven King, Filme usw. könnte das Buch auch sehr bildungshuberisch gelesen werden, aber das muss gar nicht sein – der Inhalt sprüht für sich.
Grandioses Lesevergnügen.
Hervé Le Tellier, Ich verliebe mich so leicht, Übersetzung von Romy und Jürgen Ritte, Rowohlt, 20 Euro