Katerina Poladjan, „Goldstrand“

Katerina Poladjans neuer Roman“ Goldstrand“ erzählt eine Familiengeschichte in Filmanmutung. Wie das? Der Erzähler Eli berichtet diese, seine Famliengeschichte in Rom einer Psychoanalytikerin, der etwas geheimnisvollen Dottoressa. Eli ist der Sohn des Geflüchteten, Felix, dieser hat am Ende des Zweiten Weltkrieges mit seinem Vater Lew und seiner großen Schwester Vera Odessa verlassen ist und per Schiff  in den Westen gefahren. Auf hoher See springt Vera ins Meer. Diese Geschichte berichtet Eli der Dottoressa indirekt als Bericht über einen Film, den er darüber gedreht hat, denn er ist Filmregisseur.

Ist sie gesprungen? War es ein Selbstmord und wenn ja, warum nur? All diese Fragen bleiben ungeklärt, bestimmen aber das Leben von Eli, der seine erfolgreichsten Tage im Filmgeschäft hinter sich hat. Im Roman verwebt sich das filmische Auge mit der Realität, sprachlich geschickt durch beinah scriptartig aufeinanderfolgende „Anweisungen“. Die Auslassungen, die diese Erzählweise mit sich bringen, machen das Faszinierende dieses extrem gelungenen Romans aus. Auf nur wenig mehr als 15o Seiten erfahren wir von der Großvatergeschichte (mit unglaublich dichten Szenen seines Lebens am damals noch unbebauten Golstrand), aber auch von der italienischen Seite Elis, dessen Mutter von Felix nach nur einer Nacht am Goldstrand Bulgariens schwanger nachhause kommt. Als Linke hat sie das dortige Großprojekt besucht und Felix, den Architekten des riesigen Hotelkomplexes eben zu dieser klassenübergreifdene Utopie befragt.
Elis Mutter wird von ihrem Mussolini-treuen Vater hinausgeworfen und schlägt sich fortan alleine durch mit ihrem Sohn Eli.

Die vielen Einzelaspekte, die im Roman vorkommen, könnten auch weit ausgestaltet werden und zu einem opulenten Langroman werden – nicht aber bei Katerina Poladja, die es extrem gut versteht, Raum zu lassen und doch alles zu sagen und dabei noch einen heiteren Grundton zu erzeugen, der den Roman zu einem herrlichen Lesevergnügen macht.

Goldstrand ist im Roman der helle Ort, an dem gesellschaftliche Utopien probiert werden, an dem Klassenunterschiede verschwinden. Ja, es ist eine untergegangene Utopie und Eli erzählt, wie um seine Identität zu behalten, die er nur durch das Filmen erlangen kann – alle anderen Identitäten sind fragil und flüchtig.

Auf so wenigen Seiten wesentliche Aspekte eines europäisches Jahrhunderts zu erzählen ist ganz große Kunst.

Bitte unbedingt lesen!

Katerina Poladjan. „Goldstrand“, S. Fischer Verlag, 22 Euro