Sehr poetisch ist dieser Roman von Angelika Overath über eine Liebe über Ländergrenzen hinweg verfasst. Wir begleiten Baran Anatol Chronas auf dem Weg vom schweizerischen Chur ins türkische Istanbul, wo ihn sein Lebenspartner Cla erwartet. Schon der Auftakt, das Warten auf den Abschied und das Anfahren des Zuges erzählt in der Verknüpfung des Außen mit dem Innen und ist beeindruckend und berührend gelungen. Das Beschreiben dessen, was er sieht auf der 30-stündigen Fahrt, die Landschaft, das Rattern des Zuges „vor-bei, vor-bei, vor-bei“ bereiten auf etwas vor, das dräuend mit jedem Kilometer auf Baran zurast. Dieser ahnt manches, weiß vieles nicht und reflektiert die Jahre mit Cla, das Kennenlernen, ihrer beider Verhältnis zu Alva, die in Chur zurückbleibt. Exkurse übers Bergsteigen, das Massaker von Vukovar oder den Gottesbegriff bei Nikolaus von Kues unterfüttern die Komplexität der Entscheidung, die Baran bevorzustehen scheint. Das Buch ist oft überraschend, das Ende aber sprengt jede Idee davon, was Baran in Istanbul erwarten könnte.
Ein langsames, behutsames, den Menschen zugewandtes Buch.
Angelika Overath, Unschärfen der Liebe, Luchterhand Literaturverlag, 22 Euro