In Stalins Kerkern: „Aufstieg in den Abgrund“ von Holger Haase

Höchst spannend ist die Geschichte der Carola Neher, einer weit über Berlin hinaus berühmten Schauspielerin Ende der 1920er Jahre. Sie kam aus kleinen Verhältnissen und hat sich hochgearbeitet in die erste Liga der Stars der damaligen Zeit. Auch ohne dass sie, wie von ihr erwünscht, im ernsten Fach am Theater ihre Kunst zeigen konnte, sie blieb meistenteils in Komödien besetzt, gelang es Carola, eine wirkliche Berühmtheit zu werden, einen Ruf zu haben und durch harte Arbeit in höchsten Kreisen anzukommen.
Eine große Liebe erlebt sie auch – das alles berichtet sie, das ist die zweite zeitliche Ebene, auf der der Roman spielt, einem Vernehmungsoffizier des NKWD Ende 1939 in Moskau in einem Gefängnis. Hier wurde sie eingekerkert, weil man ihr antistalinistische Umtriebe, gar die Beteiligung an einem geplanten Attentat auf Stalin, unterstellte.
Das Verhältnis zu diesem Vernehmer schildert Haase sehr fein und detailliert, so dass den ganzen Roman über die Hoffnung auf ein gutes Ende für die Neher bestehen bleibt.
Ihre Aufstiegsgeschichte, ihre Freundschaft mit Bertolt Brecht, der ihr ernste Rollen in seinem Neuen Theater verspricht, geben einen lebendigen Einblick in die damalige Zeit. Dabei fügt der Autor, ohne zu dozieren, viele interessante Details auch zur Theatergeschichte ein.
Überhaupt scheint der Roman sehr genau recherchiert zu sein, obwohl die Geschichte zwischen Carola und dem Vernehmer fiktiv ist. Die zwei Ebenen heben den Roman über die bloße Erzählung von Fakten weit hinaus und lassen die damalige Zeit lebendig entstehen vor dem inneren Auge der Lesenden.

Holger Haase wird am Montag, dem 24. April, bei uns zu dem Buch berichten, aus ihm lesen und Bildmaterial mitbringen.

Holger Haase, Aufstieg in den Abgrund, Osburg Verlag, 26 Euro