All die verschiedenen Menschen, die im Sommer das Freibad aufsuchen, tun es bei Arno Frank an einem einzigen Tag. Er erschafft so das Panorama einer Gesellschaft, in der die Menschen im Leben nicht unbedingt viel miteinander zu tun haben, im Freibad jedoch sehr wohl.
In der einen Familie spricht die Tochter nicht mehr, weder mit ihrem älteren Bruder noch mit der stets mental abwesenden Mutter, sie verschanzt sich in ihrem Zimmer. Nicht jedoch an diesem Tag, als sie ihrem Bruder ins Freibad folgt mit dem Ziel, wieder das soziale Miteinander zu probieren und vor allem: den Seemann vom Siebener zu schaffen. Der Seemann ist eine Sprungfigur, bei der kopfüber mit hinter dem Rücken verschränkten Armen gesprungen wird. Sehr schwer, je höher der Sprungturm wird.
Wir lernen die Mittelpunktfigur jedes Freibads alten Schlages und hier auch des Romans kennen: Herrn Kiontke, den Bademeister, Hausmeister und Freibadhüter, der den Tod eines Menschen verkraften muss und dies auf seine Weise macht. Stets verfolgen ihn wohlmeinende Menschen, die glauben, das könne nur mit therapeutischer Hilfe gelingen. Die Kassiererin, eine kettenrauchende ehemalige Bankangestellte gehört zu diesen Wohlmeinenden, gleichzeitig erfahren wir, wie ihr Schicksal sie in das Freibadhäuschen geschwemmt hat. Sehr poetisch gelingen Frank die Beschreibungen der Absencen der sehr alten Lehrerin, die täglich ihre Runden schwimmt und immer mehr in der Verganganheit versinkt. Ihre Verbindung zur Natur ist zum Weinen schön beschrieben.
All die Schicksalsschläge der Personen werden nach und nach offenbar, nichts wird vorzeitig verraten, das macht den Roman auf eine besondere Weise spannend. Man ahnt, da ist noch was, aber erfährt es erst bei einer ganz anderen Gelegenheit als gedacht.
Arno Frank hat in einem Interview erzählt, dass er erst den Titel hatte und dann dieses Kammerspiel drumherum schrieb. Ich finde, das ist sehr gut gelungen: man atmet den Chlorgeruch, fühlt die dunkle Schwüle der Umkleide und das kühle Wasser eines Freibades, wie es früher einmal war.
Arno Frank, Seemann vom Siebener, Tropen Verlag, 24 Euro