Sie hat es wieder geschafft: nach „Nordstadt“, dem Liebesroman um eine Bademeisterin, erzählt Annika Büsing wieder eine Liebesgeschichte, die an Rauheit kaum zu übertreffen ist und doch gleichzeitig so liebevoll bleibt.
Erst nach etlichen Seiten wird deutlich, dass es sich bei Chris um einen jungen, etwas verdrucksten, jungen Mann handelt, der uns von seinem Zusammenprall mit Koller erzählt. Koller ist natürlich nicht der richtige Name, den erfährt man später noch, doch er ist Programm. Chris und Koller erkennen sich als notwendig füreinander und doch dauert es lange, bis sie das auch leben können. Koller wohnt eigentlich mit Ella und es stellt sich heraus, dass er eine Tochter, Hannah, hat. Eigentlich lebt er aber auch nicht wirklich mit Ella, auch das wird erst später deutlich. Jedenfalls müssen die beiden ihre Idee, ans Meer zu fahren, aufgeben, um auf Ellas Wunsch hin zu Hannah zu reisen, die im Ahrtal bei ihrem Onkel lebt, wo gerade die große Überschwemmung wütet. Ella macht sich Sorgen – die beiden Männer fahren also mit einem sehr alten Auto dorthin.
Die Figuren sind alle komplex, ihr Innenleben erfasst Büsing aber mit einer eleganten Leichtigkeit, so dass die scheinbar schweren Themen irgendwie lösbar wirken. Interessant finde ich auch, dass das Coming-Out, das dieser Roman ja auch ist, beinahe in den Hintergrund rückt, denn eigentlich erzählt Büsing von Menschen, nicht von Männern und Frauen. Die Einzelgeschichten, die nach und nach zu den Personen offenbart werden, sind toll erzählt, so dass der Roman eine große Dichte bekommt.
Ich bin begeistert von dem Buch – „Nordstadt“ war also kein gelungener Erstling, dem eine Enttäuschung folgt, sondern der Anfang, dem hoffentlich noch viele tolle Romane folgen.
Annika Büsing, „Koller“, Steidl Verlag, 20 Euro