Der neue Roman der deutsch-österreichischen Autorin Milena Michiko Flašar ist ein Wunder an Zugewandtheit und gegenseitiger Achtung.
„Alleinstehend. Mit Hamster“, so beschreibt sich die junge Frau vom Land, Suzu Takada, selbst. Scharf, fast unbarmherzig analysiert die Protagonistin, nun in einer anonymen Großstadt lebend, nicht nur die japanische Gesellschaft, sondern auch sich selbst. Suzu, die ihren Job als Kellnerin verliert, findet bei Herrn Sakai einen neuen Job: sie wird im Team mit fünf anderen Fundortreinigerin. Der Fundort sind Wohnungen Alleinstehender, die verstorben sind und erst nach Wochen oder Monaten aufgefunden werden, sogenannte „Kodokushis“. Kein schöner Job, aber Suzu ist erstmal froh, wieder Geld zu verdienen. Herr Sakai, ihr neuer Chef, erweist sich als Mensch voller Mitgefühl und Verantwortungsbewusstsein gegenüber seiner Mitwelt. Dem kann auch Suzu sich nicht entziehen und lernt allmählich, nicht nur eine gute Reinigungskraft zu werden, sondern auch, ihre Einsamkeit und Sprachlosigkeit zu überwinden.
„Zum neuen Job gehörte es auch, im Anschluss an das Bad noch in ein Nudellokal zu gehen. Ich versuchte es mit einer Ausrede, schob Kopfschmerzen und einen empfindsamen Magen vor, aber Herr Sakai, der als Allheilmittel auf Tantan-men schwor, überzeugte mich davon, wenigstens einen Bissen zu probieren. ´Wetten, dass Ihre Migräne im Nu verflogen sein wird? Ein Löffel von der Suppe, und Sie werden wie neugeboren sein.´“
Herr Sakai nimmt seine Mitmenschen emphatisch wahr und verhält sich genau so, wie es die betreffende Person, oft ohne sich dessen bewusst zu sein, braucht. So wird er nach und nach zum Mittelpunkt des Romanpersonals und auch unsere Protagonistin kann sich seinem wohltuenden Handeln nicht mehr entziehen. Die Nebenfiguren bringen Witz und Skurrilität mit, so dass neben den „schweren“ Themen genug Raum für Leichtigkeit bleibt.
Ein umwerfender Roman, der nachklingt und gut tut.
Milena Michiko Flašar, „Oben Erde, unten Himmel“, Wagenbach Verlag 26 Euro