Dieses Buch der Autorin von „Die Ladenhüterin“ muss mit einer Triggerwarnung versehen werden, denn es geht (am Rande) auch um einen Missbrauchsfall. Eigentlich ist aber die ganze Kindheit von Natsuki ein einziger Misssbrauch, der aber durch die japanisch unaufgeregte Sprache der Autorin zunächst nicht in der Heftigkeit wirkt, der dem Geschehen innewohnt. Erst so langsam dämmert der Lesenden das Schreckliche, das hier geschildert wird, das Erschütternde und Beschädigende. Dennoch bleibt das Geschehen in einem irgendwie unwirklichen Rahmen, der auch durch die fast wahnhafte Idee, Außerirdischen zu entstammen, befördert wird. Diese Idee verfolgen Natsuki und ihr geliebter Cousin Yu, seit sie sich als Kinder jeden Sommer bei den Großeltern in den Bergen treffen.
Durch einen Zeitsprung in die Erwachsenenwelt Natsukis scheint es, als sei sie ihrer furchtbaren Kindheit entkommen und führte ein Erwachsenenleben, das doch auch ein gutes ist. Aber weit gefehlt, auch diesen Zeitraum schildert die Autorin in langsamen Entwicklungsschritten, in denen unmerklich eine Schieflage eintritt und zu einem Schluss führt, der kaum vorhersehbar ist.
Ein wirklich leseneswertes, aber auch stark in die seelische Tiefe der Lesenden eingreifendes Buch.
Murata Sayaka, Das Seidenraupenzimmer, Übertragung aus dem Japanischen von Ursula Gräfe, Aufbau TB, 12 Euro